NIFFF 2024: Das Interview mit Artistic Director Pierre-Yves Walder über Nachtsichtgeräte und «Anti-Trigger-Warnungen»

Nach der Programmverkündung sprachen wir mit dem Festivalleiter über die vielen mit Spannung erwarteten Filme im Programm und darüber, warum ein bestimmtes Werk nicht in Neuchâtel zu sehen sein wird.

Mia Goth und Elizabeth Debicki in «MaXXXine» © Universal Pictures International Switzerland. All Rights Reserved.

Gratulation zu dem tollen Programm, aber ich muss kurz den grossen Abwesenden ansprechen: Wo ist der in Cannes gefeierte Body-Horrorfilm The Substance? Das ist der NIFFF-igste Film, den ich in diesem Jahr gesehen habe.

Absolut faire Frage, Chris. Ich habe wirklich alles versucht, um ihn zu bekommen. Coralie Fargeat ist eine gute Freundin des Festivals. Das Problem war, dass die Release-Strategie von The Substance noch nicht fertiggestellt war, als wir unser Programm abschliessen mussten. Die Produktionsfirma konnte so schlicht keine Zusagen machen. Ich fand den Film grossartig, und deshalb ist es schade. Ich habe gewusst, dass die Frage nach The Substance irgendwann kommen wird. (lacht)

Reden wir über die Filme, die ihr bekommen habt. Ihr zeigt den heisserwarteten Longlegs als Schweizer Premiere, und das nur einen Tag nach dem US-Start.

Wir sind sehr froh, dass dies geklappt hat.

Ihr zeigt ihn am 13. Juli zweimal - einmal davon in einem Openair-Screening. Musstet ihr hart um dieses kämpfen? Denn die US-amerikanischen Studios stehen Openair-Vorstellungen aus Piraterie-Ängsten etwas kritisch gegenüber.

Das stimmt. Deshalb müssen wir zusätzliche Massnahmen für dieses Screening ergreifen. Wir haben Security-Leute angeheuert, welche die Openair-Vorstellung mit Nachtsichtgeräten überwachen.

Longlegs generiert momentan viel Buzz in den sozialen Medien. Möchtest du den Film zusätzlich noch etwas hypen?

Oh ja, kein Problem. (lacht) Filmfans, die gerne düstere Thriller haben, kommen definitiv auf ihre Kosten. Der Film ist in der Tradition von Serienkiller-Thrillern, jedoch mit zusätzlichen übernatürlichen Elementen. Es gibt Referenzen an alte Filme, aber gleichzeitig ist es auch ein sehr persönliches Werk. Nicolas Cage ist sehr unheimlich darin. Zudem freut es mich immer, wenn ich Maika Monroe in einem Film sehe.

Das NIFFF ist vor allem auch bekannt für sein Publikum, das bei Screenings jeweils sehr emotional mitgeht. Bei welchen Filmen erwartest du die lautesten Publikumsreaktionen?

Kill ist wirklich, wirklich intensiv. Das ist ein indischer Actionfilm, der in einem Zug spielt. Es hat viele Kämpfe und ist äusserst blutig. MaXXXine wird auch für gute Stimmung sorgen, da die Hauptfigur dieses Mal die Kontrolle hat und sich nicht unterkriegen lässt. In a Violent Nature wird auch heftige Reaktionen auslösen. Krazy House ist auch ziemlich wild. Es hat viele Kandidaten, ich könnte noch einige aufzählen. (lacht)

Ihr habt MaXXXine im Programm, den Abschluss von Ti Wests X-Trilogie. Die beiden Vorgängerwerke habt ihr gezeigt, X vor zwei Jahren sogar als Überraschungsfilm. Wird es in diesem Jahr wieder einen Überraschungsfilm geben?

Es ist immer eine Option, aber in diesem Jahr haben wir keinen.

Ihr habt 2023 Filme im Programmheft und auf der Website mit «Anti-Trigger-Warnungen» versehen und macht dies nun wieder. Was ist der Gedanke dahinter?

Dies ist für all diejenigen gedacht, die Kinobesuche meiden, weil sie bestimmte Darstellungen fürchten. Das Genrekino ist bei der breiten Öffentlichkeit nach wie vor mit Stereotypen behaftet, und wir haben ja auch immer einige Filme, die ziemlich krass sind. Eine der vielen Aufgaben des NIFFF besteht aber darin, auch dem unkundigen Publikum die Chance zu geben, fantastische Kultur zu entdecken. Deshalb markieren wie gewisse Filme mit: «Hühnerhaut ja; Trigger nein.»

Pierre-Yves Walder
Pierre-Yves Walder © Miguel Bueno

Was sind die Geheimtipps im diesjährigen Line-up?

Da möchte ich Mermaid Legend herausheben. Das ist ein japanischer Film von 1984, den wir in unserer Retrospektive «Eat the Rich» zeigen. Der Film erzählt Geschichte einer Muscheltaucherin. Als ihr Mann von Schergen der Elite getötet wird, geht sie auf einen Rachefeldzug. Die Hauptdarstellerin Mari Shirato wird sogar extra nach Neuchâtel kommen. Ich bin auch ein Fan von I Saw the TV Glow von Jane Schoenbrun: einem sehr stimmungsvollen, traurigen, nostalgischen Coming-of-Age-Film über eine unheimliche TV-Show und darüber, wie diese das Leben zweier Teenager verändert. Ein sehr interessanter Film, den man nur schwer beschreiben kann.

Das 23. NIFFF findet vom 5. bis zum 13. Juli in Neuchâtel statt. OutNow ist Medienpartner und wird vom Festival berichten.

Chris Schelb [crs]

Chris arbeitet seit 2008 für OutNow und leitet die Redaktion seit 2011. Seit er als Kind in einen Kessel voller Videokassetten gefallen ist, schaut er sich mit viel Begeisterung alles Mögliche an, wobei es ihm die Filmfestivals in Cannes und Toronto besonders angetan haben.

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