«The Bikeriders»: Das Interview mit Regisseur Jeff Nichols über die Ménage-à-trois im Film und Missverständnisse beim Casting
Er drehte «Take Shelter» und «Mud» und zeigt uns nun eine Biker-Gang in den 1960ern. Wir sprachen mit Jeff Nichols über 35mm und darüber, was ihn beim Casting-Prozess an Dating erinnert.
The Bikeriders wurde von einem gleichnamigen Bildband inspiriert, erzählt jedoch eine fiktive Geschichte. War es schwierig, Fiktion von Realität zu trennen?
Gewisse Dinge mussten exakt so sein wie in der Realität, wie die Motorräder, die Haare und die Kleidung. Jede Szene spielt zudem in einem ganz spezifischen Jahr. So achteten wir auch in der Post-Produktion penibel darauf, dass alles stimmig ist. Man hört so nie einen Song, der im jeweiligen Jahr noch gar nicht erschienen ist. Sogar der Dreck unter den Fingernägeln musste real sein. Jemand vom Make-up-Department hat Dreck in einer Socke herumgetragen, mit der er jederzeit jemanden schlagen und diese Person so noch etwas dreckiger machen konnte. Ich habe aber nur einzelne Zitate aus Interviews, die im Bildband abgedruckt sind, genommen und mir den Rest ausgedacht. Ich habe hier eine sehr bizarre Mischung aus Spielfilm und Dokumentarfilm geschaffen und konnte mir deshalb einige Freiheiten nehmen.
Du hast den grossen Teil von The Bikeriders wie deine Vorgängerwerke auf 35mm-Film gedreht. Was fasziniert dich daran?
Als ich Ende der Neunziger in die Filmschule ging, hatten viele Independent-Produktionen diesen Home-Video-Look. Meine Vorbilder waren damals und sind auch heute noch Terrence Malick und David Lean. Ich will, dass meine Filme schön aussehen und im Scope-Format gedreht werden. Bei meinem ersten Film, Shotgun Stories, floss das ganze Budget von 55'000 Dollar in das Kamera-Department. Von Anfang an wollte ich, dass meine Filme - egal, welches Budget - nicht nur mit Emotionalität, sondern auch mit einem bestimmten visuellen Rahmen daherkommen.
In The Bikeriders kämpfen die Figuren von Tom Hardy und Jodie Comer um jene von Austin Butler. Wie kam es beim Schreibprozess zu dieser Ménage-à-trois?
Diese Dreiecksbeziehung ist wahrscheinlich das, was man im Film am ehesten als Handlung bezeichnen kann - und sie beginnt erst nach einer Stunde. (lacht) Es ist schwierig, einen Film mit einer Handlung zu machen, die sich über ein Jahrzehnt erstreckt. Ich hatte diese Beziehung zwischen Jodie Comer als Kathy und Austin Butler als Benny. Aber es war irgendwie zu wenig. Es gab keinen Antagonisten - und dann kam Tom Hardys Johnny dazu. Als der Bikerclub immer gewalttätiger wird und Kathy Benny aus dem Club haben will, taucht plötzlich Johnny auf und verlangt, dass Benny den Club übernimmt. Was die ganze Sache so tragisch macht, ist die Tatsache, dass Benny weder Kathys noch Johnnys Erwartungen erfüllen kann. Benny ist wie ein Glas ohne Boden. Kathy und Johnny schütten all ihre Liebe hinein, aber Benny kann nichts damit anfangen.
The Bikeriders hat einen fantastischen Cast. Wie schwierig war es, diesen zusammenzubekommen?
Ich möchte nicht arrogant klingen, aber nach sechs Filmen habe ich langsam einen Ruf, dass ich als Regisseur gerne mit Schauspielerinnen und Schauspielern zusammenarbeite und mich gut um sie kümmere. Das macht es einfacher. Als ich das Drehbuch geschrieben hatte und es dann die Runde machte, war es sehr schmeichelhaft zu sehen, wer daran interessiert war. Aber es ist falsch zu glauben, dass ein Regisseur seine Schauspieler auswählt. Wir suchen uns gegenseitig aus. Es ist diese seltsame Form von Dating. «Ich mag dich.» - «Ich mag dich auch.» - «Ich mag den Film.» So kommt dann alles zusammen.
Beim Dating kann es aber auch Missverständnisse geben. Kann das hier auch passieren?
Absolut. Das Schlimmste ist, wenn jemand einfach in einen Jeff-Nichols-Film sein will. Ich will, dass sie mitmachen wollen, weil sie das Skript mögen und sich mit einer Figur identifizieren. Ich war so froh, als Tom Hardy zugesagt hat. Sein Johnny wäre ohne ihn deutlich weniger komplex. Austin Butler war der erste Schauspieler, den wir verpflichteten - und das war noch vor dem Release von Elvis. Er überzeugte mich bei unserem Meeting mit seinem Charisma. Und da ist Jodie Comer, die für mich zu den besten Schauspielerinnen gehört, mit denen ich je zusammengearbeitet habe. Sie ist eine harte Arbeiterin und hat ihre Figur dermassen analysiert und auseinandergenommen, wie ich es nicht für möglich gehalten hatte.
The Bikeriders startet am 20. Juni 2024 in den Deutschschweizer Kinos.