«Wir müssen den Menschen das Gefühl geben, dass sie dazugehören.» Katharina Stark und Iris Berben über die Serie «Deutsches Haus»
Die fünfteilige Miniserie, die es jetzt auf Disney+ zu sehen gibt, behandelt einen der ersten gerichtlichen Prozesse gegen die Holocaust-Verantwortlichen. Wir trafen die beiden Stars zum Interview.

Die Serie Deutsches Haus spielt in einer Zeit mit einem klar definierten Frauenbild. Sie spielen beide sehr selbstbewusste und starke Frauen. Inwiefern können Sie sich mit den Rollen identifizieren?
Iris Berben: Dieses Selbstbewusstsein begleitet mich nun seit Jahrzehnten. Ich bin in den 1960er-Jahren für dieses Frauenbild auf die Strasse gegangen. Mein Charakter ist aber noch anders gespeist. Sie hat eine sehr emotionale Haltung, welche sie am Leben hielt. Sie hat sich ihr Selbstbewusstsein erhalten und das kommt ihr zugute, wenn Sie vor Gericht aussagt. Und wenn sie es dann tut, ist es stakkatohaft und explosiv.
Katharina Stark: Eva nimmt ihr Selbstbewusstsein aus etwas Intuitivem. Sie ist sich noch nicht bewusst, an welche Grenzen sie stösst. Ihr Frauenbild verändert vieles unbewusst und aus ihr selbstverständlichen Impulsen. Dinge, die sie nicht OK findet und gegen die sie sich dann wehrt.

In der Geschichte geht es hauptsächlich um den ersten von vielen Gerichtsprozessen gegen die Holocaust-Verantwortlichen aus dem Konzentrationslager in Auschwitz. Wie sehr schockiert es Sie, dass es auch heute immer noch Holocaust-Leugner gibt?
Iris Berben: Wir leben gerade in einer Welt, in welcher selbst in Deutschland unfassbar ist, was auf den Strassen und was mit unserer derzeitigen Haltung möglich ist. Sich nämlich nicht zu bekennen. Und da spreche ich nicht von politischen Zusammenhängen. Wir müssen den Menschen das Gefühl geben, dass sie dazugehören und Empathie denen entgegenbringen, die angegriffen werden. Das wird gerade sträflich vernachlässigt. Dieses extrem starke Schweigen macht mich fassungslos, aber zum Glück nicht sprachlos.
Katharina Stark: Es ist erschreckend, wie «laut» dieses Thema auch heute noch ist. Deshalb ist es auch wichtig, sich damit zu beschäftigen. Mit der Geschichte und woher diese Diskriminierung kommt, um dann dagegen vorzugehen.

Die polnische Sprache ist in der Serie omnipräsent. Katharina, Sie sprechen unglaublich gut und glaubhaft Polnisch, aber auch Sie, Frau Berben, haben zumindest ein paar wenige polnische Phrasen. Wie schwer war es, sich auf die Sprache vorzubereiten?
Iris Berben: (Blickt zu Katharina Stark) Ich glaube, das musst du beantworten. Sie hat viel mehr polnische Szenen. Ich selbst habe mich aber sehr schwer damit getan. Jede andere Sprache ist einfacher zu sprechen und ich hatte einen Coach, der mir half, mich mit meinen wenigen Sätzen durch den Film zu hangeln. Ein grosses Kompliment geht daher an Katharina.
Katharina Stark: Ich hatte auch einen Coach. Es gab wahnsinnige Zungenbrecher und man musste vor allem lernen, was die polnischen Schauspieler mit der Sprachmelodie meinen. Wenn sie Wörter betonen oder eben nicht betonen. Das ist faszinierend und hat auch sehr viel Spass gemacht.
Iris Berben: (zu Katharina Stark) Es war so toll von dir. Voller Bewunderung habe ich dir zugehört.

Annette Hess hat das Buch zur Serie sowie die Drehbücher geschrieben. Wie sehr hat das Buch zur Vorbereitung geholfen?
Iris Berben: Ich hatte den Roman schon gelesen. Annette hatte ihn mir zugeschickt, bevor er überhaupt veröffentlicht wurde. Sie wusste, dass ich mich mit der Thematik über mehrere Jahrzehnte beschäftigte. Und ich war begeistert und fand, dass die Drehbücher auf den Punkt gebracht sind. Und am meisten gefiel mir, dass es nach den ganzen Recherchen nicht weich gewaschen wurde. Dass es unverfälscht und ehrlich ist. Und dass man die Hauptfigur mit einer jungen Schauspielerin besetzt hat. Somit haben auch jüngere Generationen die Chance, sich diesem Thema zu widmen. Ein kluger Schachzug. Und ich bin dankbar, da meine Rolle im Roman eigentlich durch einen jüdischen Mann verkörpert wird.
Katharina Stark: Das Buch hat natürlich total geholfen. Ich habe es, als es zum Casting ging, gelesen und ich fand besonders spannend, dass sich meine Figur Eva dem Thema mit einer Naivität und Offenheit annähert. Viele haben auch Angst, sich diesem Thema zu widmen. Vor allem in meinem Umfeld ist eine gewisse Unsicherheit und eine Unwissenheit vorhanden, um da mitreden zu können. Eva geht es genauso. Sie weiss von den Vorkommnissen nichts und muss damit umgehen.