Exklusiv-Interview zu «Knock at the Cabin»: Editorin Noemi Katharina Preiswerk über ihren Werdegang, (zu) lange Filme und «Kill Your Darlings»
Die Schweizerin Noemi Katharina Preiswerk war beim neusten Film von M. Night Shyamalan für den Schnitt verantwortlich. Wir hatten die Gelegenheit, mit ihr über ihre Arbeit zu sprechen.

Wie wird man eigentlich Editorin bei einem Film von M. Night Shyamalan?
Ich habe den Master zusammen mit Lisa Brühlmann gemacht - sie in Regie, ich in Schnitt, und so habe ich Lisas Diplomfilm Blue My Mind geschnitten. Der Kontakt zu M. Night Shyamalan kam zustande, weil er auf Blue My Mind aufmerksam wurde und Lisa für mehrere Folgen seiner TV-Serie Servant verpflichten wollte. Lisa kämpfte dann darum, Kameramann Gabriel Lobos und mich mitnehmen zu dürfen. So habe ich schliesslich Lisas Servant-Episode geschnitten. Für einen Director's Cut hat man jedoch nur wenige Tage mit der Regie selber. Den Grossteil beim Schnitt bespricht man bei US-amerikanischen Serien mit den Produzenten, also auch mit Shyamalan.
Du scheinst dabei Eindruck hinterlassen zu haben.
Das habe ich wohl meiner etwas naiven europäischen Art zu verdanken. Ich war immer sehr ehrlich und direkt, was offenbar nicht so amerikanisch ist, wie ich später herausfand. (lacht.) Er hat mich danach für weitere Episoden verpflichtet, sodass ich mit anderen Regisseuren zusammenarbeiten konnte, und dann habe ich auch die Episoden geschnitten, bei denen er Regie führte. Das war immer eine schöne Kollaboration, und so bot Shyamalan mir eines Tages den Schnittjob bei Knock at the Cabin an.

Wie früh warst du an Knock at the Cabin beteiligt? Hättest du M. Night Shyamalan Wochen später für Nachdrehs zurück ans Set schicken können?
(lacht.) Das war nicht nötig. Ich konnte das Drehbuch bereits lesen, und er wollte von mir da schon ein Feedback zum Schnitt. Gedreht wurde der Film auf einer Soundstage, und mein Schneideraum befand sich im selben Gebäude, nur ein Stockwerk höher. So konnten wir uns jeden Mittag das Material ansehen, das zwei Tage zuvor gedreht wurde, und Ideen austauschen. Das war grossartig, denn wann immer er sich bei etwas nicht sicher war - zum Beispiel, ob eine Performance funktionierte - konnte ich ihm das Material zeigen. So konnte er noch innerhalb des Drehplans Dinge korrigieren.
M. Night Shyamalan hat im Interview mit uns erzählt, dass er den Film chronologisch gedreht hat, was normalerweise die Ausnahme ist. Hat dir das geholfen oder ist es für dich nicht so wichtig, in welcher Reihenfolge du die Aufnahmen bekommst?
In diesem Fall hat es geholfen, weil die Entwicklung der Charaktere im Film sehr wichtig ist und auch die Zuspitzung des Dramas. So konnten wir diese Dinge viel feiner kalibrieren. Dafür war ich sehr dankbar.

Es gibt ja die schöne Weisheit «Kill Your Darlings», die besagt, dass dass man sich auch von Dingen trennen sollte, die man zwar toll findet, die aber den Fluss der Geschichte stören könnten. Musstest du einige von Shyamalans «Darlings» töten?
Ja, absolut. Aber ich war beeindruckt von der Art, wie er es zugelassen hat. Er hatte Dinge, die ihm unglaublich viel bedeuteten, und er kämpfte für sie. Aber als er das Gefühl hatte, dass es in der Geschichte nicht funktioniert, konnte er sehr gut loslassen, und danach gab es keine Diskussion mehr darüber.
Musstest du dich da auch mal durchsetzen oder hat er dich machen lassen?
Sowohl als auch. Was die schauspielerischen Leistungen anbelangt, hat er mir vollkommen vertraut. Oft hätte er sich für die grössere, verrücktere Performance entschieden, aber ich konnte ihn ein wenig bremsen, wenn ich das Gefühl hatte, dass wir der Figur treu bleiben mussten. Bei anderen Dingen konnte er sich jedoch durchsetzen. Es ist auch immer ein Kompromiss.
Darf man sich Hoffnungen auf Deleted Scenes bei der Heimkinoveröffentlichung machen?
Ja, das darf man.

Man sagt, dass die beste Schnittarbeit die ist, die nicht auffällt. Würdest du dem zustimmen, oder darf der Schnitt auch auffällig sein?
Ich denke, er darf auffällig sein. Ein Schnitt kann sehr effektiv sein und funktioniert ein bisschen wie ein Satzzeichen. Es gibt Kommas und Punkte, aber auch Ausrufezeichen und Fragezeichen sind erlaubt. Es kommt immer darauf an, was stilistisch erforderlich ist. Ein guter Schnitt muss nicht immer unsichtbar sein. Auf jeden Fall aber sollte er den Fluss der Geschichte nicht stören.
Es gibt die Frage «Welche Filme würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?» Aber für diesen Film muss die Frage lauten: «Welche Filme würdest du kurz vor der Apokalypse zu einer Hütte im Wald mitnehmen?»
Ich bin ein grosser Fan von Badlands von Terrence Malick. Auch von allem, was Wong Kar-Wai gedreht hat. Und natürlich Natural Born Killers, der mich vor allem von seinem wilden Schnitt her sehr geprägt hat. Ich würde einfach alle Filme mitnehmen, die mir persönlich was bedeuten.
Knock at the Cabin ist 100 Minuten lang. Eine Wohltat für alle, die sich darüber beschweren, dass Filme heutzutage immer länger werden. Da es dein Job ist, Filme zu schneiden, was denkst du über dieses Thema?
Es kommt natürlich immer auf den Film an. Ein Film kann auch in einer schönen Langatmigkeit Sinn machen. Im Allgemeinen mag ich Filme zwischen 90 und 100 Minuten. Aber ich will das nicht pauschalisieren. Es gibt auch zweieinhalbstündige Filme, denen man die Laufzeit nicht anmerkt.
Knock at the Cabin läuft jetzt in den Schweizer Kinos. In dem Film reist eine Familie zu einer einsam gelegenen Holzhütte. Doch dann tauchen vier unheimliche Fremde auf und zwingen sie zu einer unmöglichen Entscheidung: Was - und wen - sind sie bereit zu opfern, um das Ende der Welt abzuwenden?