«Meine Mutter bastelte Dynamitstangen» - Unser Interview mit den Mad-Heidi-Machern

Am 18. Zurich Film Festival sprachen wir mit dem Regieduo Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein sowie Produzent Valentin Greutert über «Mad Heidi», die Inspirationsquellen und mögliche Sequelpläne.

© Swissploitation Films

Wie war es für euch, den Film gestern zum ersten Mal einem Schweizer Publikum zeigen zu können, das auch das «Gopfertami» versteht?

Johannes Hartmann: Es war sehr cool! Wir hatten nach Brüssel ein wenig Angst, dass das Schweizer Publikum etwas zu verhalten sein wird. Aber es war schön, dass es viele Lacher und Applaus gab. War ein guter Lärmpegel im Saal.

Valentin Greutert: Es war erstaunlich, dass es viele Leute hatte, die nicht schon Fans waren, zum Beispiel Leute aus der Familie. Und das Schöne war, dass alle am Ende ein Lachen im Gesicht hatten - auch Leute, bei denen ich dachte, die würden abwinken. Das war wirklich ein schöner Moment gestern.

Du sprichst das Familiäre an: Haben eure Eltern den Film schon gesehen und was meinen Sie dazu?

Johannes Hartmann: Meine Eltern haben ihn schon zwei Tage vorher an der Crew-Premiere gesehen, da beide am Film mitgearbeitet hatten. Meine Mutter war im Props-Department tätig und ich erinnere mich, als ich eines Morgens ins Studio kam und meine Mutter bastelte gerade Dynamitstangen. Mein Vater half im Art Department, zum Beispiel hat er das Gitter der Gefängniszelle geschmiedet.

Valentin Greutert: Mein Bruder schrieb mir nach dem Screening, dass er es bereut, nicht investiert zu haben - und er schaut vielleicht einen Film im Jahr. Er habe bei einem Film selten so gelacht.

Sandro Klopfstein: Mein Vater sah ihn zum ersten Mal, er fand ihn wohl noch recht easy. Das Tempo war wohl etwas zu schnell für ihn, aber sie schauen ihn dann noch gemeinsam an einer anderen Vorstellung. Er meinte auf jedenfall, er werde ihn noch ein paar Mal schauen. So schlimm hat er ihn wohl nicht gefunden.

Alice Lucy (Heidi) und die helvetische Hellebarde, bereit für die Special Effects.
Alice Lucy (Heidi) und die helvetische Hellebarde, bereit für die Special Effects. © Swissploitation Films

Mad Heidi wurde vorab oft als Trashfilm bezeichnet. Ist das für euch ein Ritterschlag oder ein Schlag ins Gesicht?

Sandro Klopfstein: Kommt immer ein wenig darauf an, von wem die Aussage kommt.

Johannes Hartmann: Es ist natürlich eine Hommage an gewisse Trashfilme, aber allein mit dem Budget, mit dem wir arbeiten konnten, ists schon ein anderes Level als die Exploitation-Filme aus den 70er-Jahren. Damit muss man ein bisschen ein grösseres Publikum ansprechen, deshalb kann man ihn wohl nur bedingt als Trashfilm bezeichnen.

Valentin Greutert: Es ist auch ein bisschen eine Hilflosigkeit im Umgang mit dem Genre. Mit «Exploitation» können viele nichts anfangen, dann kommt man über Splatter schnell zum Trash. Weil die Leute wissen auch oft gar nicht, was Trash ist und Mad Heidi ist definitiv kein Trash. Man sagt ja auch nicht, Tarantino-Filme seien Trash. B-Movie vielleicht noch eher.

Johannes Hartmann: «Trash» oder «Splatter» ist es, was man oft hört. Das liegt natürlich auch am Teaser, in den wir recht viele Special Effects in zwei Minuten komprimierten. Da werden wohl viele Leute überrascht sein, dass es vor allem eine Komödie ist.

Ihr habt nun einen Exploitation- beziehungsweise einen Swissploitation-Film gemacht. Exploitation-Filme aus den 70ern haben reisserische Titel, Themen und Plakate, sind dann dahinter in der Regel nicht besonders gut. Wie ist euch der Spagat gelungen, einen «guten» Exploitation-Film zu machen?

Johannes Hartmann: Wir haben Exploitation eher als Stilmittel genommen. Das Ziel war immer schon, dass das Drehbuch gut sein muss und dann kann man in der Umsetzung etwas wilder sein. Dieser Spagat ist aber die grosse Schwierigkeit, der Tarantino zum Beispiel sehr gut schafft. Er nimmt aus diesen oft eher schlechten Filmen die coolen Dinge und macht daraus etwas Besseres.

Die Ausnahme bestätigt die Regel: Meiko Kaji als Titelfigur im tollen «Lady Snowblood».
Die Ausnahme bestätigt die Regel: Meiko Kaji als Titelfigur im tollen «Lady Snowblood». © Studio / Produzent

Du hast mir vor zwei Jahren in unserem Podcast ein paar dieser Filme empfohlen und ich habe auch ein paar davon geschaut. Welche Filme habt ihr dem Cast und der Crew als Inspiration gezeigt?

Johannes Hartmann: Wir haben eine Website gemacht, die «Mad Heidi Bible». Da standen ein paar Stichworte drin über die Umsetzung und auch ein paar Filmempfehlungen. Unter den 70er-Jahre-Exploitation-Filmen sind einige der «Women in Prison»-Filme drin, zum Beispiel Black Mama White Mama und Lady Snowblood - der eine grosse Inspiration für Kill Bill war - und einige der «Neo-Exploitation»-Filme, wie beispielsweise das Werk von Quentin Tarantino, genauer Kill Bill und Inglourious Basterds. Da haben wir auch einen Generationsunterschied festgestellt, dass die jungen Schauspieler noch nie einen Tarantino-Film gesehen hatten und so auch durch uns ein wenig in das Genre eingeführt wurden.

Mir hat der Score von Mario Batkovic richtig gut gefallen. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?

Johannes Hartmann: Er ist glücklicherweise wie wir aus Bern und wir dachten eigentlich schon früh, dass es gut passen könnte. Dann kam Red Dead Redemption 2, worauf wir fanden, dass es nun richtig interessant werden könnte. Wir hatten am Anfang geplant, mehr lizenzierte Tracks zu haben als Hommage an die alten Filme, und dachten, wir hätten wohl siebzig oder achtzig Prozent lizenzierte Musik und nur einzelne Szenen, die einen Score von Mario haben werden. Und jetzt wurde es eher umgekehrt, er hat nun knapp 65 Minuten Musik gemacht.

Käsemagnat Meili (Casper Van Dien) und ein lätschiger Kommandant Knorr (Max Rüdlinger)
Käsemagnat Meili (Casper Van Dien) und ein lätschiger Kommandant Knorr (Max Rüdlinger) © Swissploitation Films

Du sprichst die lizenzierten Songs an. Ich möchte mich zuerst mal bedanken, dass ich «Kei Schnee in Yokohama» kennenlernen durfte. Alle lachen. Gab es Songs, die ihr gerne verwendet hättet, aber weglassen musstet, oder die Rechte nicht gekriegt habt?

Valentin Greutert: Ja. Das erste Opfer war wohl «Peter to watashi», der Peter-Song aus der japanischen Zeichentrickserie.

Johannes Hartmann: Ja, das war schade.

Valentin Greutert: Den wollten sie uns nicht geben. Die Autoren haben den Teaser geschaut, worauf es dann ein langes Hin und Her gab. Sie meinten, sie hätten an sich nichts gegen den Teaser, sie möchten aber nicht, dass die Serie eine Art Zustimmung gibt zu dem Film. Deshalb fanden sie, wir können den Song nicht verwenden.

Was denkt ihr, gibt mehr Druck: eine Gruppe Fans oder eine grosse Firma?

Johannes Hartmann: Wahrscheinlich schon eine grosse Firma. Ich würde nicht für Marvel einen Film machen wollen.

Valentin Greutert: Bei den Fans gibts eine Dynamik, die auf beide Seiten geht. Die Fans haben ein gewisses Vertrauen in die Filmemacher, während bei einer grossen Firma einfach einer oben entscheidet, der sich gar nicht für dich interessiert. Wir haben es mit den Fans nun extrem genossen; es war eine wahnsinnig tolle Erfahrung, die wir sofort wiederholen würden. Es gibt einem auch einfach Energie, wenn man sieht, wie diese Leute dann nach Brüssel mitreisen, als Soldaten hinstehen oder als Statisten kommen. Wir kämpfen wie die Hornochsen für den Film und wenn man sieht, wie all diese Leute mitmachen, ist das wirklich toll.

Heidi (Alice Lucy) und Klara (Almar Sato)
Heidi (Alice Lucy) und Klara (Almar Sato) © Swissploitation Films

Ihr hattet ursprünglich geplant, den Film an einzelnen Events im Kino zu zeigen und ihn dann auf der Website zu veröffentlichen. Jetzt läuft er doch vor dem weltweiten Launch regulär im Kino. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Valentin Greutert: Ich wollte den Film immer schon im Kino zeigen. Wir haben gemerkt, dass das ganz schwierig wird, wenn wir ihn zeitgleich online veröffentlichen. Diese zwei Wochen sind nun der Minimalkompromiss. Ich glaube, das lohnt sich auch. Der Film kommt ja nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland, Frankreich, Österreich, Spanien, Bolivien …

Bolivien?

Johannes Hartmann: Ja, auf mindestens sechs Leinwänden in Bolivien läuft er.

Valentin Greutert: Du unterschätzt Bolivien!

Was steht als nächstes an für euch und warum ist es «Ueli dr Schlächter»?

Johannes Hartmann: Ich habe sogar schonmal ein VHS-Cover für «Ueli dr Schlächter» gebastelt! Wir haben da eine ganze Liste von Ideen, für die ich schon Poster designt habe. Wenn es aber so weitergeht wie bisher, ist klar, dass wir gerne an einem «Mad Heidi 2» arbeiten würden.

Valentin Greutert: Wir haben aber noch viel zu tun, der Film ist noch nicht draussen. Wir machen alles selber, darum braucht es jetzt bis im Februar, also bis die Blu-ray kommt, noch viel. Aber die Idee wäre schon «Mad Heidi 2».

Mad Heidi läuft ab dem 24. November 2022 in den Deutschschweizer Kinos. Hier geht's zum Kinoprogramm.

Nicolas Nater [nna]

Nicolas schreibt seit 2013 für OutNow. Er moderiert seit 2017 zusammen mit Marco Albini den OutCast. Ausser für Geisterbahn-Horrorfilme, überlange Dramen und Souls-Games ist er filmisch wie spielerisch für ziemlich alles zu haben. Ihm wird aber regelmässig vorgeworfen, er hätte nichts gesehen.

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