Oscars 2022: Die Gewinner bei «Fan Favorite» und «Cheer Moment» zeigen, dass man beide Preise gleich wieder abschaffen kann
Um ein jüngeres Publikum anzulocken, durften Filmfans auf Twitter über ihren Lieblingsfilm und Lieblingsmoment abstimmen. Im Meinungsartikel sagt Redaktionsleiter Chris, wieso das peinlich war.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Academy Awards durften in diesem Jahr «Normalsterbliche», die in den USA wohnhaft sind, über zwei Preise bei den Oscars bestimmen. Goldstatuen erhielten die Gewinner-Filme zwar nicht, aber dafür können sie sich «Oscar Fan Favorite» und «Oscar Cheer Moment» auf die Fahne schreiben. Immerhin.
Was genau die Gründe der Academy waren, um zwei solche Fan-Preise einzuführen, kann nur spekuliert werden. Es wird wahrscheinlich damit zu tun haben, dass die Einschaltquoten der Oscar-Show seit Jahren rückläufig sind. Wenn aber die potenziellen Zuschauerinnen und Zuschauer selbst über einen Preis bestimmen können, dann werden diese ja wohl auch einschalten, oder?! Beim Eurovision Song Contest funktioniert das ja auch. Ob diese Fan-Preise einen positiven Einfluss auf die Quoten hatten, ist noch nicht bekannt. Klar ist für den Schreibenden aber, dass man diese Preise schleunigst wieder abschaffen sollte.
Eines vorneweg: Ich bin kein Hater von Zack Snyder und seinem Justice League. Der Film ist in Ordnung. Doch die Ergebnisse bei «Oscar Fan Favorite» und «Oscar Cheer Moment» haben für mich gezeigt, dass diese Preise nicht ernstgenommen werden können. Es gewinnen einfach die Filme, welche die meisten «Täubeli» aufbieten können. Aber der Reihe nach.
Oscar Fan Favorite
In dieser Kategorie konnten die Userinnen und User auf Twitter über ihren Lieblingsfilm des vergangenen Jahres abstimmen. Wählbar waren dabei nur jene Filme, die einen offiziellen US-Kinostart hatten. Somit hatte der direkt im Streaming veröffentlichte Zack Snyder's Justice League also gar keine Chance, diesen Titel zu bekommen.

Dies hielt jedoch Millionen von Zack-Snyder-Fans in den letzten Wochen nicht davon ab, fleissig für den Film zu stimmen. Das sind auch jene Fans, die von 2017 bis 2020 solange Mais gemacht haben, bis das Studio Warner sich gedrängt sah, Zack Snyders Ursprungsversion von «Justice League» herauszubringen. Denn nicht viele waren 2017 glücklich damit, wie Joss Whedon den von Snyder begonnenen Film angepasst und fertiggestellt hat. Die Fans waren überzeugt, dass die von Snyder fast komplett gedrehte Fassung besser sein müsse.
Mit dem Release der Vier-Stunden-Fassung behielten diese zwar recht, doch hat Warner so ein Monster geschaffen. Jetzt denken viele, dass man in der Filmbranche nur genügend Lärm und Terror machen muss, um das zu bekommen, was man will. Lärm wurde übrigens auch am Tag der Oscarverleihung gemacht. Ein Flugzeug kreiste am Nachmittag über Los Angeles, das den Schriftzug «WB Discovery # Restore the Snyder Verse» hinter sich herzog. Die Hardcore-Fans hoffen immer noch, dass Zack Snyder das Comicuniversum DCEU weiterführen wird. Das Studio Warner Bros. hat da jedoch noch nicht eingelenkt.
#RestoreTheSnyderVerse @warnerbros @Discovery pic.twitter.com/UWtm3WAF3f
— Landon Taylor (@LandonTaylorMc1) 27. März 2022
Da Zack Snyder's Justice League nicht wählbar war, pushten die Fans dann stattdessen den anderen Film, den ihr Liebling Zack Snyder im letzten Jahr verantwortete: Army of the Dead. Die Netflix-Produktion wurde vom Streaming-Giganten für kurze Zeit in die Kinos gebracht und war so für die Oscars qualifiziert. Die Millionen von Snyder-Fans pushten den Film so über Wochen hinweg, um so vielleicht auch die Entscheidungsträger bei Warner zu beeinflussen. Am Ende stand dann tatsächlich der Zombie-Film als Sieger fest.
Die Top-5 bei «Oscar Fan Favorite»
1. Army of the Dead
2. Cinderella
3. Minamata
4. Spider-Man: No Way Home
5. tick, tick…BOOM!

Ok, es ist natürlich möglich, dass ganz viele den Zombiefilm richtig, richtig, richtig gut fanden. Immerhin haben ihn dank der Netflix-Veröffentlichung auch viele gesehen. Die weiteren Filme auf dem Podest lassen dann aber nur noch Kopfschütteln zu. Auf dem zweiten Platz liegt der furchtbar schlechte Cinderella-Streifen mit Sängerin Camila Cabello in der Hauptrolle. Ja, Cabello hat viele Fans und kann diese auch sicher mobilisieren. Doch hat sie dies über ihre Kanäle nicht getan, was bedeutet, dass viele Fans aus eigenen Stücken der Sängerin eine Freude machen wollten.
Hinzu kommt noch, dass es auf Twitter (natürlich) viele Scherzkekse gibt, die aus Witz für Cinderella gestimmt haben. Die Überlegung dahinter: «Wenn einer der schlechtesten Filme von 2021 bei den Oscars ausgezeichnet wird, dann wird die Academy schon merken, dass dies mit dem Fan-Voting keine so gute Idee ist.»
Unser Depp
Auf dem dritten Platz befindet sich Minamata. Ihr habt noch nie etwas von diesem Film gehört? Keine Sorge, dafür könnt ihr nichts. Es handelt sich hierbei um ein auf wahren Begebenheiten basierendes Drama, in dem ein Kriegsfotograf die Quecksilbervergiftung in japanischen Küstengemeinden dokumentiert. Der Film feierte an der Berlinale 2020 seine Weltpremiere und verschwand danach in der Versenkung.
«Wie hat es so ein Film denn noch vor dem supererfolgreichen Spider-Man: No Way Home auf den dritten Platz geschafft?», werdet ihr euch jetzt vielleicht fragen. Die Antwort: Johnny Depp! Der Hollywood-Star spielt die Hauptrolle in dem Film und viele Depp-Fans sind sehr erbost, dass ihr Liebling in den vergangenen Monaten von der Presse wegen der Scheidungsschlacht mit Amber Heard durch den Dreck gezogen wurde und dann auch die Rolle des Gellert Grindelwald in der Fantastic Beasts-Reihe verloren hat.
Um Depp zu «rehabilitieren», stimmen die Fans einfach massenhaft für den einzigen Film, der 2021 mit dem Schauspieler in die US-Kinos gekommen ist. Gelaufen ist der Film jedoch nur für kurze Zeit in ganz wenigen Kinos in Los Angeles. Es ist somit höchst unwahrscheinlich, dass viele diesen Film überhaupt gesehen haben. Es geht nur um Depp und nicht um den Film. Und wenn es bei der Abstimmung eines Filmpreises nicht um Filme geht, dann ist definitiv etwas schiefgelaufen.

Oscar Cheer Moment
Bei diesem Preis wollte die Academy von den Twitter-Nutzerinnen und -Nutzern wissen, welches die bewegendste Szene der Filmgeschichte ist, welche sogar laut herausschreien lässt. Und weil es hier keine Restriktionen bei den Filmen gab und auch hier die Snyder-Fan-Armee Vollgas gab, gewann die «Flash Speed Force»-Szene aus Zack Snyder's Justice League.
Die Top-5 bei «Oscar Cheer Moment»
1. Zack Snyder's Justice League - Flash Speed Force
2. Spider-Man: No Way Home - Spider-Man Team Up
3. Avengers: Endgame - «Avengers, Assemble!»
4. Dreamgirls - And I'm Telling You
5. The Matrix - Neo dodging bullets
Ich mag mich noch sehr gut erinnern, wie laut es im Kino bei «Spider-Man» und den «Avengers» war. Man wurde regelrecht von der Euphorie im Saal mitgerissen. Zack Snyder's Justice League konnte das gar nicht bieten, da der Film nie in die Kinos kam. Viele sahen ihn also alleine oder zu zweit auf dem heimischen Sofa. Auch bei dieser Auszeichnung ging also wieder darum, aufzuzeigen, was für eine (Tastatur-)Power die Fans von Zack Snyder haben. «Das dürften jetzt sicher gute Argumente für Warner sein, um das Snyderverse weiterzubetreiben, oder?!»

Diese Auszeichnung für einen reinen Streamingtitel scheint gleichzeitig ein seltsames Licht auf die Academy, der es ja ein grosses Anliegen ist, dass nur Filme für die Oscars nominiert werden dürfen, die auch im Kino gelaufen sind. Aber ja, das haben sie nun halt davon, wenn sie auf Twitter zwei Gewinner ermitteln wollen. Schon im Laufe der Abstimmung wurde schnell klar, dass es bei diesen Preisen nicht um Filme geht, sondern nur um Täubelis und Witzbolde.
Deshalb diese Preise sofort wieder einstampfen oder mindestens ein anderes System einführen. Eine reine Abstimmung über Twitter lockt offensichtlich nur toxische Fans und Scherzkekse hinter dem Ofen hervor.