Miami Valais - Unsere Kritik zur neuen Schweizer Serie «Tschugger»
Sali zämu! Eine Schweizer Comedy-Krimi-Serie mit Achtziger-Attitüde, kurligen Charakteren und dreckigem Humor? «Tschugger» aus dem Wallis macht es möglich! Hüere güet! Lüeg hiitu no dri!

Worum geht es?
Ein kleines, verschlafenes Örtchen irgendwo im Wallis. Hier geschieht nicht viel. Ein Kuh-Diebstahl ist das höchste der Gefühle für die lokale Polizei. Auf dem Polizeiposten werden Geldbeträge für Raser-Bilder von zu schnell fahrenden Polizisten gesammelt und das Image des verstaubten Polizeiposten mittels neuem Werbe-Clip aufpoliert. Doch eines Tages tauchen der Stoner Juni und die eine Rap-Karriere startende Valmira im Örtchen auf und sorgen für Action.
Der versiffte Tschugger (walliserdeutsch für Polizist) Bax (David Constantin), im ganzen Wallis zur Legende geworden durch die Festnahme des Drogenbarons Rappaz, wittert die Chance, nicht nur seiner mittlerweile eingeschlafenen Karriere einen neuen Schub zu geben, sondern auch seiner Ex Gerda (Clelia Fux) zu beweisen, dass er immer noch ein guter Fang wäre. Doch Bax hat die Rechnung ohne seine Polizeikolleginnen und -kollegen, den Bauunternehmer Fricker und den schusseligen Praktikanten Smetterling (Cedric Schild) gemacht, sodass die Situation schnell aus dem Ruder läuft. Stets darauf bedacht, den nächsten grossen Fisch an Land zu ziehen, verärgert er die Bundespolizistin Annette (Anna Rossinelli) und seinen Dienstpartner Pirmin (Dragan Vujic) und schlägt das eine oder andere Mal über die Stränge.

So finden wir es
Bereits das Intro zu Tschugger zeigt an, in welche Richtung es gehen wird: Die Walliser Krimiserie verneigt sich vor den Achtzigern, lebt und atmet den Groove vergangener Zeiten: Die Farben, der Synthesizer-Soundtrack und die Balken-Schnauzbärte; alles erinnert an die kultigen Cop-Serien und das Lebensgefühl aus den Eighties. Der Weisswein- und Raclette-Edition dienten Miami Vice, die Beverly Hills Cops-Filme wie auch Magnum oder Knight Rider als Vorbilder, welche parodiert und zitiert werden. Dabei bleibt Tschugger jedoch zu keiner Zeit ein billiger Abklatsch eben erwähnter Idole, sondern mischt zur Achtziger-Attitüde den Charme des doppelsprachigen Kantons, die schier unverständliche Sprache und die dem Wallis schweizweit nachgesagte Rückständigkeit.
Dabei ist es aber nicht lediglich der Retrocharakter, welcher Tschugger ausmacht, hier wurde eine Serie (die erste Staffel umfasst fünf Folgen à je 30 Minuten) mit Kultpotential erschaffen: Die Charaktere, angefangen bei Bax, welcher unbedingt ein richtiger Bad-Cop sein möchte, über den konservativen Pirmin, bis hin zu den Stoners (eine Ähnlichkeit von Valmira zu Loredana kann nicht geleugnet werden) oder der kleine Rotzbengel Mike («Scheiss Tschugger!») sind so skurril wie unterhaltsam und verfügen über ihren ganz eigenen Charme. Sogar die Nebenrollen und Side-Kicks (etwa ein kurzer Auftritt des Bestatters) sind herrlich unterhaltsam, so dass die Serie primär von seinen Charakteren lebt. Stoner, Mafioso und Walliser Tschugger, eine äusserst gelungene und durchaus auch explosive Kombination.

Die Story steht dabei nicht primär im Vordergrund des Geschehens, vermag aber durch einige Ereignisse und Wendungen doch auch zu verblüffen. Spätestens als die Bundespolizistin in der chaotischen Vetterliwirtschaft der Polizeistation auftaucht und Auge wie auch Ohr anlegt, um da einmal richtig aufzuräumen, bleibt kein Stein mehr auf dem anderen und beim Publikum kein Auge trocken. Für Bax wird die Situation zunehmend ungemütlicher, schliesslich wird von allen Seiten auf ihn eingeschossen. Naja, der Ruhm vergangener Tage haftet nicht ewig. So entsteht eine aufreibend erzählte Story, welche jede Folge mit einem Cliffhanger enden lässt (teilweise doch etwas zu forciert) und einige Logiklücken durchscheinen lässt. Ab der dritten Folge nehmen sowohl das Erzähltempo wie auch die Storystränge zu, so dass sich einige davon verlaufen und zu einem Ende hinführen, welches keine Zweifel über eine Fortführung der Serie offenlässt. Denn der grosse Fall ist zum Ende der Staffel noch nicht abschliessend gelöst. Schade eigentlich, denn eine Aufnahme eines neuen Kriminalfalls in der nächsten Staffel hätte besser zu der ansonsten sauber aufgebauten Cop-Serie gepasst. Die Dreharbeiten zu Staffel zwei begannen übrigens bereits Mitte Oktober 2021.
Solch minimale Kritikpunkte zeigen jedoch die Stärke und Innovation von Tschugger: Die Serie ist nicht nur spannend und unterhaltsam, sondern zeichnet sich durch einen zuweilen dreckigen, maroden Humor aus, durchtränkt von Zynismus und in stetiger Anlehnung an die Serienvorbilder. Tschugger ist eine der besten Schweizer Produktionen und verfügt definitiv über Kultpotenzial!
Die ganze erste Staffel von Tschugger ist auf Play Suisse und auf Sky Show zu sehen.