Throwback: Alte Filme und Serien, die wir wegen Corona endlich aufholen konnten

«Bleiben Sie zuhause», hat uns Bundesrat Alain Berset im Frühling 2020 gebeten. Das haben wir alle brav gemacht und haben dabei in der Film- und Serien-Welt jede Menge (Neu-)Entdeckungen gemacht.

«Children of Men», «Come and See», «Die Wand» © Universal, Bildstörung, Filmcoopi

Man kennt das: Von Freunden und/oder Kritikern werden einem tonnenweise Filme und Serien empfohlen, die man uuuuunbedingt sehen müsse. An einem normalen Tag bleibt dann jedoch am Ende jeweils nicht mehr viel Zeit übrig, sich dies alles anzusehen. Am Ende ist es dann doch wieder eine simple Serie oder ein Herumscrollen auf Netflix, bis man auf der Fernbedienung einschläft.

Aber im Jahr 2020 hatte man wegen der Coronapandemie plötzlich viel Zeit. Viele Tätigkeiten durfte man besonders im Frühjahr nicht mehr ausführen. So waren die Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz gezwungen, sich grösstenteils in den eigenen vier Wänden zu beschäftigen. Auch unsere Autorinnen und Autoren hatten Zeit, sich endlich Filme oder Serien anzusehen, die sie Monate, wenn nicht Jahre vor sich hin geschoben haben, oder solche wiederzuentdecken, die früher schon viel Freude bereitet haben. Diese Seherlebnisse könnt ihr jetzt hier nachlesen.

The Long Goodbye

Die Zeit hinterlässt auch an Privatdetektiv Philip Marlowe ihre Spuren. Von dem knallharten Ermittler und Frauenheld aus den Vierzigerjahren ist im Zeitalter von New Hollywood wenig geblieben. Der schlaksige Elliott Gould verkörpert einen anderen Marlowe. Schweigsam und zynisch wirkt er wie der einsame Leuchtturmwächter von Los Angeles. Sein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit kommt in der Welt der Kriminellen zu einem hohen Preis. Da Altmeister Robert Altman hier Regie geführt hat, sieht The Long Goodbye auch dementsprechend gut aus. [Sven Martens]

Lord of the Rings

Selbst als langjähriger LOTR-Verweigerer wurde ich nach einigen Wochen Lockdown dazu erweicht, Zeit in Jacksons Magnum Opus zu stecken. Ich redete mir ein - und verdrängte, dass ich dabei dem Volksmund nachplappere -, dass man ja mit Gandalf, Frodo und Gollum nicht falsch liegen könne. Und tatsächlich, mich empfing eine vielversprechende Ouvertüre, doch damit hatte es sich dann auch schon. Nach zwei Dritteln der Trilogie wurde es mir wortwörtlich zu bunt. Unsägliche Gestalten, eine selbstgefällig dargebotene Fülle und die überstrapazierte Dehnung des Geschehens sorgten dafür, dass ich Teil drei bis heute unberührt liess. [Tom von Arx]

Friends

Rachel, Phoebe, Monica, Chandler, Joey und Ross: Diese sechs New Yorker feiern seit 1994 ihren globalen Grosserfolg. Friends ist lustig, traurig, schräg, immer sympathisch und mit vielen Gästen geschmückt. Tom Selleck, Bruce Willis, Reese Witherspoon oder Robin Williams machen mit ihren Cameos die Serie zum Lebensbegleiter einer ganzen Generation. Und auch wenn die Serie natürlich inzwischen klischiert und nicht ganz politisch korrekt daherkommt, sind die zehn Staffeln in diesen Zeiten einfach ein Garant für gute Laune. Es ist und bleibt eine der besten Serien aller Zeiten. Und ja, they were on a break! Oder? Comeback oder Reboot unerwünscht! [Dani Maurer]

Aki Kaurismäki

Der finnische Kultregisseur war bei mir bisher eine Bildungslücke. Vor 2020 kannte ich mit Le Havre gerade mal einen seiner Filme. Selbstisolation und Filmingo sei Dank konnte ich diese Lücke schliessen. Stolze 16 Kaurismäki habe ich dieses Jahr gesehen. Naturgemäss mochte ich nicht jeden gleichermassen, doch sein unverkennbarer Stil mit lakonischem Humor, Underdogs und Cadillacs sagt mir durchaus zu. Meine drei persönlichen Favoriten: Leningrad Cowboys Go America, Drifting Clouds und Take Care of Your Scarf, Tatjana. [Simon Eberhard]

The X-Files

In einer Zeit, in der Covid-19 garantiert (nur) ein von der Regierung gehütetes Geheimnis gewesen wäre, gab es mal zwei FBI-Agenten, die sich den sogenannten X-Files widmeten. Oh ja, Mulder und Scully bei der Aufklärung der mysteriösen Fälle zuzusehen, lässt den echten Horror da draussen auf der Welt etwas in den Hintergrund geraten. Und auch wenn Serien in diesem Jahrtausend punkto Storytelling viel mehr Qualität aufweisen als viele neue Filme, ist eine Zeitreise in die Neunzigerjahre, als die X-Files gerade erst geöffnet wurden und Serien ganze Popkulturen definierten, ein nostalgischer Leckerbissen. [Christian Wolf]

Die Wand

Dieser Film ist zwar nicht «alt alt», stand aber seit 2012 auf meiner Watchlist. Der Lockdown bot nun die perfekte Gelegenheit, sich dieses Einpersonenstück anzusehen. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Marlen Haushofer erzählt der Film die Geschichte einer Frau, die durch eine unsichtbare Wand von der Aussenwelt abgeschnitten wird. Sie überlebt einsam auf einer Almhütte, indem sie sich immer wieder neue Aufgaben sucht. Auf mich hatte Die Wand gerade in dieser Zeit eine beruhigende und tröstliche Wirkung. [Swantje Oppermann]

Jurassic Park

Jahrelang habe ich mich erfolgreich dagegen gewehrt, diesen Klassiker von Steven Spielberg zu schauen. Monster in einem Park, was soll daran schon spannend sein?! Doch am 16. März 2020, am ersten Tag des Frühling-Lockdowns, war dies mein erster Film und blieb bis zum Jahresende einer der besten. Nach zwei Minuten wusste ich, dass es kein Fehler war, den Film zu schauen. Für mich unerwartet war der Beginn: gleich rein in die Action. Einige humorvolle Szenen werden im richtigen Mass eingesetzt. Die ganze Umsetzung sehr faszinierend. Und sogar die Erklärung zur Entstehung der Dinosaurier war schlüssig - zumindest für einen Nicht-Biologen. [Christoph Reiser]

Bacalaureat

Christian Mungiu ist ein Vertreter der rumänischen Neuen Welle. In seinen Filmen übt er harte Kritik an der Gesellschaft aus, indem er vom Schicksal von Einzelpersonen ausgeht, deren Erlebnisse aber einen universellen Charakter haben. Auch Bacalaureat ist eine Parabel, die einer griechischen Tragödie gleicht. Der Protagonist möchte, dass seine Tochter unbedingt ihre Maturaprüfungen besteht, damit sie ein Stipendium in England antreten kann und aus dem korrupten Rumänien entfliehen kann. Durch eine Verkettung von Umständen wird allerdings dazu getrieben, sich selbst dem verhassten System zu fügen und gerät in ein dichtes Netz von Abhängigkeiten. [Teresa Vena]

Children of Men

Als grosser Bewunderer von Gravity und Roma hatte ich dringenden Nachholbedarf für Alfonso Cuaróns Children of Men und schaute mir den dystopischen Science-Fiction-Thriller dieses Jahr endlich an. Dass ich damit so lange zuwartete, ist fast schon beschämend. Der Film ist brillant besetzt, spannend erzählt und erzeugt mit seinen düsteren apokalyptischen Bildern eine beklemmende Atmosphäre. Cuaróns Meisterwerk katapultierte sich unmittelbar weit nach oben auf meiner Favoritenliste und ist ein Must-See für alle Liebhaber von dystopischen Geschichten. [Gianluca Izzo]

Come and See

Der sowjetische Antikriegsbeitrag Come and See über einen Jungen, der im Zweiten Weltkrieg durch die Hölle geht, war ewig auf meiner Watchlist und der letzte Film, den ich von der IMDb-250 noch nicht gesehen hatte. Dank den neuen Blu-ray-Veröffentlichungen von Criterion und Bildstörung konnte ich mir endlich selbst ein Bild von Elem Klimovs Film machen, der zu den verstörendsten seiner Gattung gehören soll. Das ist noch untertrieben. Come and See ist eines niederschmetterndsten, erschütterndsten, schwerstverdaulichen und eindrücklichsten Werke aller Zeiten. Noch heute sind die Bilder (die schönen wie auch die krassen) in meinem inneren Auge eingebrannt. [Christoph Schelb]

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