«Google Stadia» neu in der Schweiz: Unser Test
Seit Montag, 7. Dezember 2020 um 18:00 Uhr ist Googles Cloud-basierte Spieleplattform Stadia auch in der Schweiz verfügbar. Wir konnten den Dienst vorab testen und teilen unsere ersten Eindrücke.

Vor einem Jahr hat der Technologiegigant Google den grossen Herstellern aus der Gaming-Branche den Kampf angesagt. Aber statt mit einer eigenen Konsole aufzutrumpfen, greift Google auf sein grosses Datenzentren-Netzwerk zurück und bietet eine Spieleplattform, die vollumfänglich in der Cloud betrieben wird. Für den Kunden bedeutet dies, dass keine Konsole angeschafft werden muss. Internet-Zugang sowie ein kompatibles Gerät zum Surfen genügen, um Spiele zu zocken. Dabei bietet Google nicht nur selbst entwickelte Spiele, sondern hat auch Games bekannter Hersteller und Marken im Portfolio.
Leider wurde die Schweiz beim Launch im November 2019 aussen vorgelassen. Nun ist der Dienst aber auch offiziell hierzulande verfügbar und erst noch kurz nach dem Zeitpunkt, an dem Sony und Microsoft ihre neuen Konsolen auf den Markt gebracht haben. Google meint es also ernst und hat uns netterweise vorab einen Zugang zur Verfügung gestellt. Wir teilen euch mit, was Stadia für Vorteile gegenüber der Konkurrenz hat und wo noch Verbesserungspotential steckt.
Das Positive
Die Einrichtung
Stadia einzurichten ist kindereinfach. Es wird einzig ein Google-Account mit Gmail-Adresse benötigt und schon kann es losgehen. Die App am Handy ist sehr einfach gehalten und führt Schritt für Schritt durch die verschiedenen Einstellungen inkl. Controller-Einrichtung. Wer sich also für Stadia entscheidet, kann innert weniger Augenblicken mit dem Spielen loslegen.
Die Unabhängigkeit
Der Streamingdienst von Google spielt sich ganz einfach übers Internet. Es wird keine Leistung in den eigenen vier Wänden oder unterwegs gebraucht. Lediglich ein kompatibles Eingabegerät wird vorausgesetzt. Aus diesem Grund besitzt Stadia eine gewisse Unabhängigkeit, was grossartig ist. Entweder man öffnet den Browser (es werden «Google Chrome» und der auf Chromium basierende «Microsoft Edge» unterstützt), die App auf dem Smartphone/Tablet oder Chromecast, und schon kann es losgehen. Leider ist das Spielen unterwegs bisher nur gewissen Android-Modellen vorenthalten, später soll es auch auf dem iPhone möglich sein, Stadia zu benutzen. Wann genau, ist aber noch unklar. Weiter empfiehlt Google auch auf einem kleinen Bildschirm einen Controller zu nutzen, auch wenn eine Touch-Eingabe in gewissen Situationen möglich ist.
Kein Abo-Zwang
Google bietet für 11 Franken im Monat Zugang zum Abo «Stadia Pro». Alle neuen Stadia-Nutzerinnen und -Nutzer erhalten dabei einen Monat kostenlose Mitgliedschaft. Mit dieser kann bereits auf eine Handvoll Spiele zurückgegriffen werden, ohne dass man zusätzlich etwas kaufen muss. Wo verfügbar, erhält man mit Stadia Pro auch 4K-Auflösung und Farben im HDR10-Standard. Es ist allerdings nicht notwendig, das Abo abzuschliessen, um Games zu spielen. Titel wie Watch Dogs: Legion oder Star Wars Jedi: Fallen Order können direkt im Store gekauft und dann immer gespielt werden. Schade, dass einem das Abo dann doch für technische Verbesserung (4K und HDR) aufgebrummt wird. Aber irgendwie möchte Google sein Abo ja auch an Frau und Mann bringen.
Das Spielerlebnis
Und wie gut funktioniert nun der Dienst? Erstaunlicherweise sehr gut! Sogenannte «Lags» sind keine zu verzeichnen, die Eingaben werden sofort umgesetzt. Gerade bei Shootern wie Destiny 2 (der übrigens kostenlos gespielt werden kann), kann verzögerungsfrei drauflos geschossen werden. Während des Tests ist die Bildqualität am Browser hie und da eingebrochen und es waren nur noch grob verpixelte Animationen sichtbar. Die Eingaben haben aber selbst dann immer noch fehlerfrei funktioniert. Es schaut ganz so aus, als hätte Google bei der Latenzresistenz tolle Arbeit geleistet. Die Spiele laden zwar nicht ganz so schnell, wie man es von der neuen PS5 oder Xbox Series X|S gewohnt ist, aber wenn man bedenkt, dass keine eigene Hardware nötig ist, geht dies völlig in Ordnung.
Das Verbesserungswürdige
Das Menü
Man kann es kaum glauben, aber einmal in Stadia eingeloggt, findet man schlichtweg keine Suche. Es ist also nicht möglich, ein bestimmtes Game im Store zu suchen, um dieses im Stadia-Pro-Abo freizuschalten oder zu kaufen. Weiter ist auf dem Chromecast Ultra gar kein richtiges Menü verfügbar. Dort sieht man nur jene Spiele, welche man besitzt und kann diese dort starten. Ein Durchsuchen ist nur bedingt über den Browser oder die App möglich. Hier sollte Google unbedingt noch nachbessern.
Der Controller
Beim Stadia-Controller sind wir ein wenig zwiegespalten. Der 79 Franken teure Controller verfügt über integrierte, nicht austauschbare Akkus sowie einen USB-C-Anschluss. Ausserdem besitzt er ein integriertes WLAN-Modul und ist somit relativ einfach im Heimnetzwerk auffind- und konfigurierbar. Allerdings wirkt das Gerät nicht wirklich hochwertig. Vor allem im Vergleich zum Chromecast Ultra, welcher in der «Stadia Premiere Edition» für 119.99 Franken mitgeliefert wird, wirkt der Controller schon fast ein wenig billig. Die L2/R2-Tasten (auch als Trigger bekannt) können nicht mit jenen der PlayStation- oder Xbox-Controller mithalten.
Natürlich versucht Google die Kosten tief zu halten, um möglichst vielen Personen den Zugang zu Stadia zu gewähren, doch wünschen wir uns für die Zukunft ein etwas griffigeres und mit weniger leichtem Plastik bestücktes Steuergerät. Ausserdem hat der Stadia-Controller ein eingebautes Mikrofon, welches nicht mittels Schalter deaktiviert werden kann. Wie aber bereits erwähnt, unterstützt Stadia auch andere kompatible Controller, und somit hat der Kunde die Qual der Wahl, wie und wo er die Spiele zocken möchte.
Das Spiele-Angebot
Stand heute verfügt Stadia über etwas mehr als 150 Spiele. Das ist angesichts der Tastsache, dass der Dienst schon über ein Jahr in anderen Ländern wie USA, Kanda oder Deutschland verfügbar ist, eher bescheiden. Grosse neue Spiele werden zwar bereits für Stadia mitentwickelt, wenn Google aber langfristig im Geschäft bleiben will, muss man hier unbedingt nachlegen. Zum Vergleich: Das Cloud-Gaming (Beta) mit Xbox Game Pass Ultimate existiert erst seit knapp drei Monaten und hat bereits jetzt schon über 180 Spiele im Portfolio und somit mehr als der Streamingdienst von Google.
Abschliessende Gedanken
Natürlich kämpft Stadia noch mit kleinen Anfangsschwierigkeiten. Trotzdem könnte es für alle interessant sein, die bisher auf den Kauf einer Konsole oder eines Computers verzichtet haben und dennoch den Drang spüren, hin und wieder am Bildschirm zu zocken. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Tablet, Notebook oder Fernseher handelt - Stadia funktioniert überall gleich gut. Hier liegt sicherlich die grosse Stärke des Dienstes: die Unabhängigkeit von Hardware. Sogar bei den Controllern kann frei gewählt werden, und wer doch lieber mit Maus und Tastatur spielt, kann dies ebenfalls machen.
Wenn Google sein Spiele-Angebot noch aufbessert und die Qualitätseinbrüche, die teilweise vorgekommen sind, in den Griff bekommt, könnte Stadia tatsächlich eine ernstzunehmende Plattform sein. Ob Stadia nun genug bietet, um eingefleischte Konsolen- oder PC-Gamer zum Wechsel zu bringen, mag zum jetzigen Zeitpunkt bezweifelt werden. Für jene Personen, die aber erst jetzt in die Gaming-Welt eintauchen möchten, ist Stadia eine absolut interessante Option, die es zu erwägen gilt.