Weshalb "Platzspitzbaby" nicht für den Schweizer Filmpreis nominiert wurde

Während sich "Bruno Manser" Hoffnungen auf drei Schweizer Filmpreise machen kann, fehlt auf der Liste der Nominierten ein anderer grosser Film: "Platzspitzbaby". Wir sagen euch, warum das so ist.

Luna Mwezi in "Platzspitzbaby" © Ascot Elite

Dem Schweizer Film scheint es wieder richtig gut zu gehen. Nachdem vor ein paar Jahren nur vereinzelte Dokumentarfilme wie More Than Honey für Furore sorgten, lockten in jüngster Vergangenheit vermehrt wieder die Schweizer Spielfilme die Leute ins Kino. Zwingli verzeichnete über 248'000 Eintritte, Bruno Manser über 168'000 und für Wolkenbruch gingen über 312'000 Tickets über die Kino-Theken. Auch Platzspitzbaby ist auf bestem Wege solche Zahlen zu erreichen. An seinem Startwochende hat das Drogen-Drama über 40'000 Tickets verkauft. Platzspitzbaby ist ein Hit beim Publikum und auch bei den Kritikern. Eine solche Kombination hilft jeweils auch, wenn es um begehrte Filmpreise geht. Doch bei der Bekanntgabe der Nominierten für den Schweizer Filmpreis war Platzspitzbaby der grosse Abwesende. Woran liegt das?

Jetzt spricht der Produzent

Wir nahmen diesbezüglich Kontakt mit Produzent Peter Reichenbach von C-Films auf und erfuhren, dass Platzspitzbaby von C-Films gar nicht für den Schweizer Filmpreis eingereicht wurde. Laut Reichenbach ist vieles rund um die Veranstaltung absurd. "Die Akademie ignoriert des Öfteren erfolgreiche Filme wie Der Verdingbub, Heidi, Schellen-Ursli und Zwingli und zeichnet stattdessen lieber Filme aus, die kaum einer gesehen hat. Der Schweizer Filmpreis kommt so eher einem Trostpreis für wenig erfolgreiche Filme gleich." Auch weil eine Nomination Platzspitzbaby promomässig nicht viel bringen würde, wurde auf eine Einreichung verzichtet. Doch dies ist noch lange nicht alles.

"Platzspitzbaby"
"Platzspitzbaby" © Ascot Elite

Wieso Filme von 2020 im Jahr 2020 auszeichnen?

Doch wieso soll ein 2020er-Film wie Platzspitzbaby überhaupt für den Schweizer Filmpreis 2020 nominiert werden? Eigentlich müssten doch die Filme des Vorjahres ausgezeichnet werden. In der Schweiz ticken die Uhren jedoch in dieser Beziehung ein klein wenig anders. Laut den Bestimmungen des Bundesamtes für Kulturs für den Filmpreis 2020 muss für eine Einreichung eine der folgenden Bedingungen erfüllt sein:

- Der Film muss eine Bestätigung über mindestens 50 Kino-Vorstellungen im Kalenderjahr 2019 haben.
- Es muss eine Kopie einer Einladung an ein vom Bundesamt für Kultur anerkanntes Film-Festival (z. B. Cannes oder Toronto) vorgewiesen werden.
- Der Film muss für die Solothurner Filmtage 2020 im Hauptprogramm "Panorama" selektioniert worden sein, wo eine Auswahl aktueller Schweizer Produktionen gezeigt wird.

Platzspitzbaby würde die letzte Bedingung erfüllen. Doch verzichtete Reichenbach aus eigenen Stücken auf eine Einreichung, denn das Timing ergibt für ihn überhaupt keinen Sinn. "Die Akademie möchte Kinofilme auszeichnen und dann nominieren sie Filme, die noch kaum jemand im Kino gesehen hat." Reichenbachs Film war zum Zeitpunkt der Verkündung der Nominationen gerade mal eine Woche lang im Kino. Ein anderes aktuelles Beispiel: Die Komödie Moskau einfach wurde im vergangenen Jahr für den Schweizer Filmpreis eingereicht, da man eine Einladung nach Solothurn 2020 hatte. So geschah es, dass der Film am Mittwoch, 22 Januar 2020 seine Weltpremiere feierte und am Tag darauf gleich für drei Schweizer Filmpreise nominiert wurde. Der offizielle Kinostart ist aber erst am 13. Februar 2020. Ein Muster-Beispiel für Reichenbachs Timing-Ärger.

"Es braucht diesbezüglich dringend eine Reform und neue klare Regeln, wie etwa, dass ein Film bereits einen offiziellen Schweizer Kinostart hinter sich haben muss, um überhaupt als qualifiziert zu gelten", so Reichenbach. Solchen Regeln gibt es unter anderem bei der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, welche über die Oscars bestimmt. Laut deren Regeln muss ein Film mindestens in je einem Kino in New York und Los Angeles gelaufen sein, sonst kann das Werk nicht nominiert werden.

"Platzspitzbaby"
"Platzspitzbaby" © Ascot Elite

2021 ist auch wieder ein Jahr

Da Platzspitzbaby nun nach seinem offiziellen Kinostart die erste Bedingung des BAKs erfüllt, könnte Reichenbach seinen Film für die Verleihung 2021 einreichen - sofern sich nichts an den Regeln ändern sollte. Die Zulassungsbedingungen werden jeweils in jedem Jahr im Juli im Dokument "Ausschreibung Schweizer Filmpreis" neu festgehalten. Ob man dem Film die Chance auf Schweizer Filmpreise geben will, wurde bei C-Films noch nicht entschieden. Allzu grosse Hoffnungen auf den Hauptpreis macht sich Reichenbach aufgrund der ausgezeichneten Filme der letzten Jahre sowieso nicht. Er findet aber, dass eine Einreichung alleine für die beiden Hauptdarstellerinnen Sarah Spale und Luna Mwezi eine gute Sache wäre, da deren Leistungen laut ihm definitiv Auszeichnungen verdient hätten.

Platzspitzbaby läuft weiterhin in den Schweizer Kinos.

Chris Schelb [crs]

Chris arbeitet seit 2008 für OutNow und leitet die Redaktion seit 2011. Seit er als Kind in einen Kessel voller Videokassetten gefallen ist, schaut er sich mit viel Begeisterung alles Mögliche an, wobei es ihm die Filmfestivals in Cannes und Toronto besonders angetan haben.

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Kommentare Total: 3

th

kommt halt drauf an wofür der schweizer filmpreis stehen soll... die oscars zeichnen auch nicht komplett unbekannte filme aus. die diesjährigen nominationen scheinen mir aber ein ziemlich breites spektrum abzudecken.

Leofreak

Die zweite Hälfte seine Arguments bezüglich des merkwürdigen Timings kann ich definitiv nachvollziehen.

Aber was zur Hölle soll bitte diese Aussage:
"Die Akademie ignoriert des Öfteren erfolgreiche Filme wie Der Verdingbub, Heidi, Schellen-Ursli und Zwingli und zeichnet stattdessen lieber Filme aus, die kaum einer gesehen hat."

Sollen jetzt schlechte Filme (trifft nicht auf alle in der Liste zu) nominiert werden, nur weil sie erfolgreich sind?! Und gute Filme ignoriert werden, weil sie im Kino nicht erfolgreich waren?
Das ist doch völlig absurd! Und aus meiner Sicht vollkommen richtig, gerade kleinere Filme zu nominieren, auszuzeichnen. Das ist ja gerade das Unsymapthische an anderen Preisverleihung (etwa SMAs), die einfach nur die erfolgreichen Künstler*innen auszeichnen.

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