Hot Takes! Die über- und unterbewertesten Filme von 2019
Jetzt wird es persönlich! Wir sagen euch, bei welchen Filmen im Kinojahr 2019 wir uns in der Redaktion alles andere als einig waren. Macht euch bereit für jede Menge "Hot Takes"!

sma
Überbewertet: Joker
Joaquin Phoenix ist einer der besten Schauspieler seiner Generation und glänzt in jedem Film. Seine heruntergemagerte Performance als Arthur Fleck, mit seinem gezwungenen Lächeln und dem krankhaften Lachen, ist mit Abstand das Beste an Joker. Todd Phillips' Comicfilm ist eine blasse Kopie von grösseren Vorbildern, die am Ende genauso inhaltsleer ist, wie die hochstilisierte Diskussion über den Film selbst. Es ist ein Werk für die männlichen Reddit-Nutzer, die The King of Comedy nie gesehen haben. Die glaubwürdigste Aussage von Joker ist dabei "sexy jokes always funny", und nicht "kill the rich".
Unterbewertet: Instant Family
Instant Family ist die Definition eines gelungenen Films für die ganze Familie. Ein Genre, das man in Hollywood im letzten Jahrzehnt sträflich vernachlässigt hat. Die Adaptionsthematik wirkt bei allen Klischees zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt, auch dank der Zweifel der werdenden Eltern Ellie und Pete. Rose Byrne ist fantastisch in der Hauptrolle und auch die Nebenrollen sind unter anderem mit Isabela Moner gut besetzt. Instant Family trifft in den emotionalen Momenten die richtigen Töne und hat das Herz am rechten Fleck.
arx
Überbewertet: The Irishman
Ein gigantisches Budget, revolutionäre Technik und alle Freiheiten für Regie-Legende Martin Scorsese: Wahrlich, es ist nicht alles Gold, was glänzt. Die Verjüngungseffekte begeistern nicht und die Freiheiten dienten wohl einzig dazu, sich selbst zu zelebrieren. Das gönnt man zwar all den Gents, und Pacino sowie Pesci spielen zum Dank grossartig auf, doch die egozentrische Lust, Geschichtchen zu erzählen, überbordet komplett. In der Länge mit der Dramaturgie ist dieser Filmklotz eine Zumutung für das Publikum. Nur was für Scorsese-Jünger, alle anderen sind mit Goodfellas viel besser bedient.
ebe
Überbewertet: It: Chapter 2
Ich kenne weder Stephen Kings Buchvorlage noch den TV-Film von 1990. Doch Teil 1 vermochte mich durchaus abzuholen mit seinem Kindheitsfilm-Charme und den Gruselelementen, so dass ich Teil 2 recht zuversichtlich entgegensah. Doch leider funktioniert dieser nach der Devise "gruusig statt gruslig". Die Story ist völlig konfus, die Protagonisten sind nervig (James McAvoy in seiner zweitschlechtesten Rolle des Jahres) und die Schockeffekte billig. Nein, dieser Film hat mich definitiv nicht gluschtig gemacht auf die Vorlage.
Unterbewertet: Stuber
Die Actionkomödie mit Dave Bautista und Kumail Nanjiani hat hierzulande nicht allzu grosse Wellen geworfen und ist bei den Kritikern grösstenteils durchgefallen. Auch unser OutNow-Reviewer war nur so mässig begeistert vom Film. Ich jedoch fand ihn überraschend gut. Der Plot ist simpel, aber originell und bietet neben einigen erwartet platten Gags auch ein paar gelungene Pointen über die Mechanismen von Social Media. Ausserdem harmonieren die beiden gegensätzlichen Hauptdarsteller bestens. Grosse Kinokunst? Natürlich nicht! Aber eine witzige Actionkomödie, die sich vom Genre-Standard abhebt.
woc
Überbewertet: Us
Jordan Peeles Zweitling wurde überall hochgelobt und als superintelligent angesehen. Man kann den Horrorfilm toll finden, weil er angeblich das angekratzte Genre neu polieren würde. Us wirkt jedoch total überladen und zu gewollt intelligent. Es fühlt sich an, als habe sich Peele selbst übertrumpfen wollen und seinen Film daher mit einer übermässigen Portion Gesellschaftskritik versehen. Vielleicht wirkt das Resultat auch darum enttäuschend, weil Peele sich genremässig selber in eine Schublade steckt und sich nicht von seinem Erstling Get Out lösen kann. Das Abstruse daran: Get Out nahm sich selber nicht so ernst, was bei Us total der Fall ist. Sorry, Mr. Peele.
Unterbewertet: Pet Sematary
Remakes werden generell argwöhnisch beäugt und bereits im Vorfeld kritisiert: Auch bei der Neuinterpretation von Stephen Kings Meisterwerk "Pet Sematary" war dies leider der Fall. Kevin Kölsch und Dennis Widmyer verwandelten den Klassiker jedoch in eine liebevolle Adaption mit vielen Parallelen zu Kings Roman sowie zu Mary Lamberts erster Filmversion. Sie gingen zudem einen Schritt weiter, in dem sie wichtige Teile der Story änderten und so dem Stoff einen völlig neuen Blickwinkel verleihten. Da ging es nicht um sinnlose Effekthascherei, sondern um die Auseinandersetzung mit der Essenz von Kings Geschichte.
crs
Überbewertet: Mary Queen of Scots
Zeigte The Favourite, wie man einen Kostümschinken unterhaltsam umsetzt, war Josie Rourkes Mary Queen of Scots dann wieder von der Sorte, welche nur Kenner der wahren Begebenheiten abholen wollte und den Rest mit einer emotionslosen Geschichte und einer zu steifen Inszenierung zu Tode langweilte. Nichts gegen die hohe Schauspielkunst, welche Saoirse Ronan und Margot Robbie hier zeigen, sowie die durchaus tragische Geschichte, doch es bringt alles nichts, wenn ich mit den Figuren nicht warm werde. Diese 125 Minuten gehörten zu den längsten vier Stunden in diesem Kinojahr.
Unterbewertet: Ad Astra
Regisseur James Gray erzählt hier eine kleine Story mit den grossen Bildern einer Space Opera. Es geht um einen Sohn, der sich zu seinem Vater durchkämpft, der ihn verlassen hat - zu sehen physisch, aber Gray geht es vor allem um das Psychische. Wie Pitts Astronaut in der völligen Einsamkeit mit sich selber ringt (wem ist es nicht schon so ergangen, wenn man verlassen wurde?), ist tieftraurig und geht zu Herzen. Zudem ist die Kameraarbeit von Hoyte Van Hoytema brillant. Der Film ist bei weitem nicht perfekt (das Voice-Over nervt zwischendurch schon), doch trotzdem gehört Ad Astra zu den faszinierendsten Filmen von 2019.
muri
Überbewertet: Midsommar
Ein Horrorfilm in strahlender Sonne sollte es sein. Ein Ausflug in die Angst, welche Zuschauer aus dem Kino gejagt habe. Leider schafft Hereditary-Regisseur Ari Aster in seinem zweiten Film weder einen Schocker, noch einen anhaltenden Gruselfilm, sondern lediglich einen zäh erzählten Besuch bei den Schweden, der durch plumpe Blutszenen und Schlachtungen während 150 Minuten kaum packen kann. Austauschbare Figuren, ein Anziehen der Handlung, als es zu spät ist und die Tatsache, dass auch hochgelobte Regisseure nicht mit allen ihren Filmen punkten können. So kann's gehen.
Unterbewertet: Crawl
Wenn's nicht die armen Haifische sind, müssen die Alligatoren her. In Crawl, dem Tierhorror-Thriller von Regisseur Alexandre Aja, wird eine authentische Schiene gefahren. Viel Wasser in Florida, überflutete Keller und mittendrin ein bedrohter Vater. Das Töchterchen will ihn retten und sieht sich einer Gruppe von hungrigen und beisswütigen Alligatoren gegenüber. Überraschenderweise klappt das Ganze ohne lautes Brimborium, sondern in gefährlicher Stille und mit Viechern, die weder genetisch gepimpt, noch überzüchtet wurden. Die Gators haben Hunger - that's it! Gänsehaut und Atemschwankungen inbegriffen!
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