Die besten Szenen des Filmjahres 2019

Umwerfende Gesangsdarbietungen, fiese Enden, Sex und eine Ente. Was diese Sachen gemeinsam haben? Sie alle haben uns ein paar der besten Momente des Kinojahres 2019 beschert.

"John Wick 3", "Die fruchtbaren Jahre sind vorbei", "Avengers: Endgame" © Ascot Elite, cineworx, Marvel Studios

Filme bestehen meistens aus vielen Szenen, die miteinander verknüpft ein Gesamtkunstwerk ergeben - oder einen Film mit Adam Sandler. Dass dabei nicht alle Szenen gleich mitreissend sein können, versteht sich von selbst - etwas, das man auch mal Michael Bay sagen könnte. Aristoteles hatte schon recht, als er sagte «Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.» Im Nachhinein erinnern wir uns aber trotzdem an Einzelszenen, welche es geschafft haben, bei uns ganz grosse Emotionen auszulösen. Als Teil unseres Jahresrückblicks haben wir uns in der Redaktion gefragt, was diese herausragenden Einzelszenen im Kinojahr 2019 waren. Hier kommen die Antworten. ABER ACHTUNG, SPOILER-WARNUNG: Solltet ihr einen der unteren Filme noch nicht gesehen haben, schnell weiterscrollen.

Rocketman - «Goodbye Yellow Brick Road»

© Paramount

Gegen Rocketman hat Bohemian Rhapsody qualitätsmässig keinen Stich. Wurden die Hits im Queen-Film eher uninspiriert «reingepflümlet», wird in Rocketman die Geschichte von Elton John auch mit Hilfe der Songs der Musiklegende erzählt. Das beste Beispiel ist jene Szene mit «Goodbye Yellow Brick Road», die als Streitgespräch zwischen Songschreiber Bernie (Jamie Bell) und Elton (Taron Egerton) beginnt und letzten Endes als Befreiungsschlag für den Sänger funktioniert, welcher mit ganz vielen «Aaaaaaa's» den selbstzerstörerischen Weg auf der gelben Backsteinstrasse verlässt. Der Songtext passt dabei wie die Faust aufs Auge (es mussten nur ein paar Lines verschoben werden) und die Emotionen steigen dank der genialen Musik, der Singstimme von Egerton und der Inszenierung von Regisseur Dextler Fletcher ins Unermessliche. Gänsehaut pur und den Song kriegt man in dieser Fassung - wie auch das Original - danach nicht mehr aus dem Ohr. [crs]

Parasite - «Regen und Treppen»

© Filmcoopi

Alles geht den Bach runter. In Parasite zerstört der Regen nicht nur die Träume der Familie Kim. Es ist eine der offensichtlichen, aber extrem effektiven Metaphern, die Bong Joon-ho einsetzt. Der Sturm, der Seoul trifft, sorgt dafür, dass die Familie Park ihren Campingausflug abbrechen muss und zu ihrem Haus zurückkehrt. Wie die Parks selbst, befindet sich das Anwesen an der Spitze. Sicher gelegen auf einem Berg haben sie nichts zu befürchten vor den Regentropfen. Aber die Wassermassen, die aus den Regentropfen entstehen, haben katastrophale Auswirkungen für die armen Kims. Der Regen spült sie den Abhang hinunter, Treppenstufe für Treppenstufe. Zurück an ihren rechtmässigen Platz - ein kleines Kellerapartment, ganz unten. Und es ist nicht nur die Hoffnung, die zerstört wird, es auch ihr materieller Besitz. Denn die einen trifft es in unserer Gesellschaft nie und die anderen mit voller Stärke. [sma]

Marriage Story - «Being Alive»

© Netflix

«Somebody hold me too close, somebody hurt me too deep»: In Noah Baumbachs Marriage Story singt Adam Driver «Being Alive» von Stephen Sondheim. Vollständig, mehrstimmig und allein vor dem Mikrofon einer Pianobar. Es ist die Kulmination seines Scheidungskonfliktes in Musicalform. Das Stück ist hochprofessionell vorgetragen und erst, wenn Driver am Ende tief ausatmet, sieht man die Tränen, die seine Augen füllen, deutlich. Es folgt ein Blick ins Nichts und die Abblende. Nun ist Marriage Story nicht nur einer der besten Filme des Jahres, ebenso Baumbachs überzeugendstes Werk, er bietet auch eine unglaubliche Performance von Adam Driver. Es ist seine natürliche Art des Schauspiels, die die wenigen lauten emotionalen Momente so herausheben. Die Gesangseinlage funktioniert im Kontext auch deshalb so gut, weil der drohende Verlust über zwei Stunden so glaubhaft inszeniert wird. [sma]

Marriage Story - «Der grosse, lange Streit»

© Netflix

Marriage Story strotzt nur so vor kleinen zarten und humorvollen Momenten. Umso härter trifft einen deshalb diese Szene, in der Charlie und Nicole sich die gemeinsten Sätze an den Kopf werfen. Was als Versöhnungsgespräch in Charlies Wohnung beginnt, entwickelt sich zu einem handfesten Streit und kulminiert in Charlies Aussage, er wünsche sich, Nicole würde sterben. Charlie bricht unter der Hässlichkeit seiner eigenen Worte zusammen. Grandios gespielt von Adam Driver und Scarlett Johansson, könnte man glauben, die Szene sei improvisiert - so viel Kraft und Energie entwickelt sich im Laufe dieser wenigen Filmminuten. Tatsächlich waren jede Geste, jeder Schritt und jedes Wort bis ins kleinste Detail von Noah Baumbach inszeniert. Ganz grosses Schauspiel! [swo]

Joker - «Bei Murray auf dem Sofa»

© Warner Bros.

«You get what you fucking deserve!» Nach dieser Pointe ist ein für alle Mal klar: Joker is not joking. Zweifelsohne setzt Joaquin Phoenix mit seiner mehrmals zu Tränen rührenden Performance neue Massstäbe. In diesem vielschichtigen, meisterhaften Thriller voller provokativer Widersprüche und wilder Fantasien, in diesem emotionalen Wirrwarr ist dieser Satz der (nicht nur hervorragend herbeigeführte) Höhepunkt der Höhepunkte. Er ermöglichte mir zudem dieses ergreifende Erlebnis, das diese Szene zu meiner Szene des Jahres macht: Als es auf der Leinwand knallt, fühle ich mich, als winde sich ein Wurm in meinem Gehirn - ich verstehe die Welt nicht mehr. Während ich immer tiefer in den Sessel sinke, schaue ich mich um, denke: «Nun ist alles möglich.» Der Schritt aus der Fiktion in die faktische Welt ist getan, gnadenlos wird mir der Spiegel vorgehalten. Was ich darin sehe, trifft mich mit einer unvergleichlichen Wucht, deren ungeahnte Wirkungsmacht mich bis heute nicht loslässt. [arx]

Die fruchtbaren Jahre sind vorbei - «Das Entchen flieht»

© cineworx

Mit Natascha Bellers erfrischendem Debüt hat die Schweiz 2019 endlich mal wieder eine richtig gute Komödie hervorgebracht. Trotz des eigentlich durchaus ernsten Themas ist Die fruchtbaren Jahre sind vorbei ein Feelgoodfilm, der nicht zuletzt dank der phänomenalen Hauptdarstellerin Michèle Rohrbach so gut funktioniert. Die Szene, in der ihre Leila sich im Entenkostüm mit unangenehmen Tatsachen konfrontiert sieht und flugs Reissaus nimmt, ist nur einer von vielen überdreht-witzigen Momenten und steht gleichzeitig symptomatisch dafür, wie sich ihre Figur vor der (biologischen) Realität zu drücken versucht. Eine herrliche Szene in einem tollen Film, die beweist: Die Schweiz kann auch lustig! [ebe]

Midsommar - «Sex-Assistenz»

© Ascot Elite

Ok, «Lieblingsszene» des Jahres kann man diese Sequenz jetzt nicht wirklich nennen. Aber zumindest bleibt sie in Erinnerung. Nachdem drei amerikanische Studenten immer mehr in den Netzen der obskuren schwedischen Sekte verfangen sind, muss der unter Drogen gesetzte Christian (Jack Reynor) zum Befruchtungs-Ritual antreten und wird dabei freundlich unterstützt von den übrigen Frauen des Kults. Es ist dies der WTF-Moment, wo man als Zuschauer nur noch lachen kann ob der Absurdität der ganzen Situation. Und wohl auch eine der Szenen, die unseren Kritiker in seiner Review zur Frage verleitet haben: «Was zum Teufel läuft falsch mit dir, Ari Aster?!» [ebe]

John Wick: Chapter 3 - «Schiesserei mit Messern»

© Ascot Elite

John Wick 3 bot einige der halbsbrecherischsten Actionszenen des Jahres. Doch keine andere verführte uns so sehr zum Lachen und Applaudieren wie der Messerkampf. John Wick steht einem halben Dutzend Kämpfern der Triaden gegenüber, zufälligerweise in einem Messermuseum. Sie alle greifen zu Klingen, worauf die Hölle losbricht. Es wird geschlitzt, gestochen, geworfen, in den Rücken, in die Brust, in den Kopf, in die Weichteile. Die Choreografie ist nichts anderes als absolute Weltklasse, denn die Szene ist sauber ausgeleuchtet und Regisseur Chad Stahelski lässt die Zuschauer die Action dank ruhiger Kameraführung problemlos mitverfolgen. Sie streift zwar mit einigen Aktionen die Grenze - und übertritt sie wohl mit einer sogar -, bleibt aber stets so cartoony, dass wir uns trotzdem ab der Absurdität und der grandiosen Umsetzung erfreuen können. [nna]

Spider-Man: Far From Home - «Mid-Credits Scene»

© Sony Pictures

Marvel Movies - das heisst auch immer Abspannszenen. Meist sind die von eher leichtfüssiger Natur, manchmal witzig, manchmal albern, aber eigentlich nie von grossem Belang. Was aber Spideys neustes Filmabenteuer nach den ersten Abspannminuten zeigte, wirft alles über den Haufen, was wir bisher über Abspannszenen zu wissen glaubten. (Mein Beileid an alle, die den Kinosaal schon vorher verlassen haben!) Nachdem Spider-Man und MJ ihr erstes Webslinging-Date hinter sich gebracht haben, enthüllt plötzlich der erneut von J.K. Simmons verkörperte J. Jonah Jameson über Riesenbildschirm das grosse Geheimnis: Spider-Man ist Peter Parker! Whuuuuuuut????!!! Spidey fasst sich entsetzt an den Kopf und wir im Kinosessel tun dasselbe, aber aus freudiger Überraschung. Wow! Wie geht's nun weiter? Einen Film so zu beenden, ist schlicht fies, aber auch grossartig. [pps]

Pet Sematary - «Gage im Auto»

© Paramount

Wie wir ja alle gesehen haben, ist es Ellie (!), welche vom Orinco-Truck zu Tode gefahren, von ihrem Vater auf dem indianischen Friedhof beerdigt wird und als gehässiger Zombie zurückkehrt. Später bringt Ellie ebenfalls ihre Mutter um, welche dann beim Showdown Vater Louis ersticht. In der letzten Szene des Films kehrt die untote Familie aus dem Wald zurück. Für viele Zuschauer war dies nicht nur der grosse Twist, sondern paradoxerweise fast sogar eine Erleichterung, da der zweijährige Gage, der im Original stirbt und von den Toten zurückkehrt, ausser Lebensgefahr ist - phuhh! Gage ist also der einzige Überlebende - kurz vor dem Showdown von Louis im Auto in Sicherheit gebracht - und sieht nun, wie seine untoten Eltern und seine untote Schwester langsam auf ihn zulaufen. In dieser Millisekunde zeigt das Remake seine grösste Stärke und macht uns schmerzhaft bewusst, mit welch düsterem Filmstoff wir es hier zu tun haben. Das darf doch nicht wahr sein?! Doch! Das letzte, was wir im Off hören, ist das Autoschloss, welches mit der Remote, die Louis in der Hand hat, geöffnet wird. Beep-beep. Ein perfekter Schluss eines Remakes, welches in vielen Belangen neue Wege gegangen ist. [woc]

Avengers: Endgame - «Hammer!»

© Marvel Studios

Ja, als Cap laut «Avengers, Assemble!» ruft, war schon richtig episch, doch irgendwie erwartete man es in diesem Blockbuster der Superlative. Viel überraschender war es, als beim Kampf «Cap, Thor and Iron Man vs. Thanos» Mjölnir zu schweben begann und dann nicht bei Thor, sondern der Kriegshammer an seinem eigentlichen Besitzer vorbeizischte und in den Händen von Steve Rogers landete. Lautes Johlen in den Kinos weltweit! Dies hatte zwei Sachen zu bedeuten: 1. Steve ist würdig, die Kraft Thors zu besitzen. 2. Als die Avengers in Age of Ultron als Party-Gag versuchen, den Hammer aufzuheben, scheiterten alle und es gelang nur Steve das Teil ein bisschen zu bewegen. Doch da Steve würdig ist, hätte er Mjölnir sehr wohl aufheben können. Man kann vermuten, dass er es nicht tat, weil er Thor nicht blamieren wollte. So ein lieber Kerl, dieser Mr. Rogers. Ein sehr cooles Easter-Egg. [crs]

Once Upon a Time… in Hollywood - «Das Finale!»

© Sony Pictures

Once Upon a Time… in Hollywood erweist sich als Slowburn, der erst in den letzten Minuten in Gewalt explodiert. Nachdem ich bei diesen blutigen Szenen - wie bei jedem Tarantino-Streifen - mal wieder verschreckt im Kinosessel sass, gelang es dem Regisseur danach doch noch, mir ein Tränchen ins Auge zu drücken. Hier trifft Sharon Tate (Margot Robbie) endlich auf ihren Nachbarn Rick Dalton (Leonardo DiCaprio). Der hat soeben ihre Mörder flambiert und somit ein Stück grauenvoller Hollywood-Geschichte umgeschrieben. Sharon Tate lebt - sie bekommt ein Happy End. Was im wahren Leben nicht möglich war, das schenkt Quentin Tarantino uns in seinem märchenhaften Ende auf der Leinwand. Es ist eine bittersüsse Hommage an Sharon Tate und das Hollywood vergangener Zeiten. [swo]

Was waren eure Lieblingsszenen von 2019?

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