Das Cannes-Tagebuch von OutNow.CH - Tag 1: Fahrplanwechsel und Tarantino-Krise

Offiziell war heute Festivalstart. Doch für die angefressenen Berichterstatter hat es bereits vor Wochen begonnen. Dieses Jahr müssen wir uns von einigen liebgewonnenen Gewohnheiten verabschieden.

Gut geplant ist halb gewonnen! © OutNow.CH

Die Prä-Festival-Phase ist für uns Journis ja ein sich jährlich wiederholendes Ritual: Akkreditierung einreichen, Pressekonferenz verfolgen, Vorfreude hochfahren, allfällige Vorbereitungsfilme schauen. Der Höhepunkt dieser Vorfestivalphase: die Publikation des «Fahrplanes», also der Übersicht, wann welcher Film in welchem Saal gezeigt wird. Die Galapremieren mit den Stars interessieren uns Journis dabei weniger - es sei denn, wir arbeiten für ein Klatschmagazin -, sondern viel mehr der «Press schedule», dem zu entnehmen ist, wo die Presse den Film schauen darf. Denn dann kann man endlich sein Film-Programm zusammenstellen.

Und nun, dieser «Press schedule» hatte seit Jahren ein bewährtes Muster: ein Wettbewerbsfilm am Morgen, einer am Abend; eine Wiederholung des Wettbewerbsfilmes am Folgetag. Wenn's nicht ganz aufging, konnte es vereinzelt vorkommen, dass der eine oder andere Film zu einer ungewohnten Zeit an einem ungewohnten Ort reingequetscht werden musste, aber erfahrene Cannes-Routiniers liessen sich auch davon nicht aus der Ruhe bringen.

Nun, bereits letztes Jahr kam diese Routine ins Wanken (wir berichteten). Denn die Tatsache, dass die Pressevorführung früher VOR der Galapremiere stattfand, bedeutet in Zeiten von Social Media, dass erstere faktisch die Weltpremiere ist. Und das ist halt schon nicht so super-glamourös. Also wurde fleissig umgekrempelt, was darin resultierte, dass einige Pressescreenings nun NACH der Weltpremiere stattfanden. Dies sorgte nun aber wiederum seitens gewisser Journalisten für rote Köpfe.

Nun hat das Festival den Plan nochmals fleissig umgekrempelt und dafür gesorgt, dass die Pressevorführung neu nun GLEICHZEITIG mit der Weltpremiere stattfindet - jedoch in einem anderen Saal. Das bedeutet für uns Journis nun, dass wir uns von einigen liebgewonnenen Gewohnheiten verabschieden müssen. Ein bisschen wie bei den grösseren Fahrplanwechseln der SBB im Dezember. Plötzlich fährt der Stammzug zu einer anderen Zeit und auf einem anderen Gleis.

Für Aussenstehende mag das nun nicht soo furchtbar relevant erscheinen, ob der Film nun um 19:00 oder um 22:00 beginnt, doch Warteschlangen-taktisch sind solche Dinge für unterprivilegierte Badge-Inhaber wie uns durchaus von Wichtigkeit. Insbesondere bibbern wir bereits heute dem 21. Mai entgegen. Denn dann wird Mr. Tarantino mit Once Upon A Time in Hollywood in Cannes auflaufen, und den wollen wir natürlich sehen - zusammen mit Tausenden anderen Journalisten, mehr jedenfalls, als die «Salle Debussy» und die «Salle Bazin» fassen können werden. Und nun eben, da wir unverständlicherweise leider keine VIP-Top-Priority haben, müssen wir ernsthaft befürchten, dass wir vielleicht trotz stundenlangem Anstehen gar nicht in den Film reinkommen. Und diverse Leidensgenossen auch nicht. Tumultartige Szenen vor dem Kinosaal in 3, 2, 1…

Natürlich werden wir aber um unseren Tarantino-Platz kämpfen und euch davon berichten. Wenn wir's schaffen, gibt's natürlich auch eine Review. Um welche Zeit in welchem Saal wir den Streifen gesehen haben, ist dann letztendlich auch nicht mehr relevant. Auf ein frohes Anstehen!

Simon Eberhard [ebe]

Aufgewachsen mit Indy, Bond und Bud Spencer, hatte Simon seine cineastische Erleuchtung als Teenager mit «Spiel mir das Lied vom Tod». Heute tingelt er durch Festivals und mag Krawallfilme genauso wie Artsy-Farts. Nur wenn jemand einen Film als «radikal» bezeichnet, rollt er genervt mit den Augen.

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