Das Cannes-Tagebuch 2011

Die Erlebnisse der OutNow-Crew von der Croisette - hier sind sie nachzulesen. Knallhart und unverblümt.

Mittwoch, 11. Mai 2011 - Hunger in Ligurien

Nicht in allen Mittelmeerstädchen herrscht Glitzer, Glanz und Gloria - in einigen ist es schwierig, überhaupt etwas Essbares zu kriegen.

Wer in Cannes derzeit Parkplätze in Küstennähe sucht, hat einen schweren Stand. Ähnliches gilt auch für das beschauliche Celle Ligure, wo die erstmals mit eigenem fahrbaren Untersatz anreisende OutNow-Crew ihre Mittagspause tätigte. Der Mangel an Möglichkeiten, die Karre abzustellen, dürfte aber die einzige Gemeinsamkeit sein zwischen den beiden Orten. Denn während in Cannes zumindest während der kommenden zehn Tage rund um die Uhr Hochbetrieb herrscht, geht es in Ligurien etwas ruhiger zu und her. Wehe dem, der sich um 15 Uhr knurrenden Magens ins Stadtzentrum begibt, in der Hoffnung, sich etwas Leckeres zwischen die Rippen zu schieben! Siesta scheint nicht nur in Spanien immer noch recht verbreitet zu sein.

Eine Gelateria war dann schliesslich die Rettung für die hungrigen OutNow-Journalisten, so dass diese ihre Reise erfolgreich fortsetzen konnten und sich jetzt frohen Mutes im Tollhaus an der Croisette herumtreiben. An kulinarischen Angeboten mangelt's hier wahrlich nicht, genauso wenig an sonstigen Zerstreuungsmöglichkeiten. Und zahlreiche merkwürdige Filmplakate versuchen, die Aufmerksamkeit des gesättigten Kinogängers auf sich zu ziehen. Grund genug für uns, auch dieses Jahr wieder die mittlerweile schon legendäre Serie UnbeCANNESte Meisterwerke zu starten, in dem wir dem geneigten Leser die vielversprechendsten dieser Filmplakate vorstellen.

Donnerstag, 12. Mai 2011- Sex sells

Ein Sequel zu einem 20-jährigen Hongkong-Erotikfilm? Kein Problem, 3D heisst das Zauberwort!

Wer glaubt, in Cannes gäbe es nur mühsame Arthousefilme zu sehen, irrt gewaltig. Besitzer eines Presse- oder Market-Badge haben so beispielsweise die Möglichkeit, den gemäss Eigenwerbung weltweit ersten 3D-Erotikfilm zu begutachten: Sex and Zen heisst der (Untertitel: «Extreme Extasy). Er ist aber nicht neu: Das Original stammt aus dem Jahr 1991 und hat nun ein Reboot bzw. Remake erhalten, in 3D natürlich, damit bestimmte anatomische Details auch in voller Pracht zur Geltung kommen.

Das Filmplakat beflügelt auf jeden Fall schon mal die (männliche) Fantasie. Getreu der Devise »Sex sells«, wollen wir es der geneigten Leserschaft nicht vorenthalten und präsentieren unser erstes UnbeCANNEStes Meisterwerk.

Freitag, 13. Mai 2011 - Rorrim als Ersatz-Jason?

Die OutNow-Crew ist nicht abergläubisch und schreibt auch heute einen Tagebucheintrag. Heute mit einem russischen Tim-Burton-Verschnitt.

Freitag, der Dreizehnte! Ein Unglückstag für die OutNow-Crew? Mitnichten. Die ersten gezeigten Wettbewerbsfilme wissen durchaus zu gefallen, Tilda Swinton ist uns über den Weg gelaufen, und unser zwar nicht gleichermassen prominenter, dafür um so freundlicherer Lieblings-Getränkehändler am Boulevard de la Republique hat uns von letztem Jahr wiedererkannt und so enthusiastisch begrüsst, als seien wir alte Freunde. Da macht es auch nichts, wenn der Himmel heute bewölkt ist und man gestern erst beim zweiten Anlauf in Gus van Sants neue Tragikomödie Restless reingekommen ist.

Zur Feier des Nicht-Unglückstages wollen wir auch heute wieder ein UnbeCANNEStes Meisterwerk vorstellen. Dass auch in Russland 3D-Animationsfilme produziert werden, beweist die nicht so richtig definierbare Kreatur namens Rorrim Bo. Shrek auf den Spuren von Indiana Jones? Wohl kaum. Der Trailer lässt eher auf ein Horrormärchen im Tim-Burton-Stil schliessen. Also vielleicht doch noch ein ganz klein wenig schauriges Jason-Feeling an diesem besonderen Datum?

Samstag, 14. Mai 2011 - König der Zombies

Eben noch in »Germany's got Talent« - jetzt auf unsere Showbühne, ääh, in eine zweifelhafte Robin-Hood-Neuverfilmung.

Wochenende in Cannes! Das Wetter ist nicht mehr so doll, aber der Wettbewerb gefällt nach wie vor. Man erlaube uns an dieser Stelle einen kurzen Rückblick auf letztes Jahr: 2010 hiess der Eröffnungsfilm an der Croisette Robin Hood. Ridley Scott setzte damals Russell Crowe fesch in Szene. Es war beileibe nicht der erste Robin-Hood-Film - und auch nicht der letzte, wie spätestens heute feststeht. Denn der Nachfolger steht in den Startlöchern. Er heisst Robin Hood: Ghosts of Sherwood und scheint die Geschichte über den König der Diebe als gfürchigen Zombiestreifen inszenieren zu wollen: »You won't leave the forest alive«… Huhuu!

Dabei sind internationale Topstars mit an Bord: Tom Savini (From dusk till Dawn, äh...), Kane Hodder (Friday the 13th, ääh ja, allerdings erst in Teil sieben), Martin Thon (Toxic Lullaby) oder - Achtung! - Dave Kaufmann (Germany's got Talent - steht tatsächlich so auf dem Filmplakat). Na mit dieser Besetzung kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen. Trotzdem wagen wir zu vermuten, dass unserem heutigen UnbeCANNESten Meisterwerk nicht ganz so viel Erfolg an den Kinokassen bescheiden ist wie dem letztjährigen Cannes-Opener.

Sonntag, 15. Mai 2011 - Ein Bild sagt mehr…

Aus Zeitgründen verzichten wir heute auf viel Text, präsentieren der Leserschaft dafür drei weitere UnbeCANNESte Meisterwerke, die eigentlich keiner weiteren Kommentare bedürfen. Enjoy!

Montag, 16. Mai 2011 - Halbzeit

Der Wettbewerb vermag noch immer zu gefallen, und das Publikum darf sich auf zwei interessante Animationsfilm-Klone freuen.

Die Hälfte des Festivals ist geschafft! Und auch wenn der mit Spannung erwartete The Tree of Life für die OutNow-Crew die erste Enttäuschung war, ist der internationale Wettbewerb immer noch ansprechend. Wo sind all die Schnarcher, die mühsam prätentiösen Kunstfilme, die es nie jemals ins Kino schaffen, wo sind sie nur geblieben? Offensichtlich ist - im Vergleich zu letztem Jahr - der Wettbewerb heuer wieder wettbewerbswürdig. Da bleiben den Parallelsektionen Semaine de la Critique und Quinzaine des Réalisateurs nur die Brosamen. Auch dies war letztes Jahr anders. Wir erinnern uns: Die Perlen des Festivals wie beispielsweise The Sound of Noise, We are what we are oder Le nom des gens liefen damals dort, während der Wettbewerb nicht zu überzeugen wusste und dementsprechend auch einen Gewinner der Kategorie »Naja« hervorbrachte.

Natürlich darf auch heute das tägliche Zückerchen nicht fehlen: zwei weitere UnbeCANNEStes Meisterwerke. Nach Ausflügen ins Erotik, Horror- und Fantasygenre kehren wir nun wieder in die Welt der Animationen zurück. Da gibt es zum Beispiel einen malaysianischen Film namens SeaFood. Hat da irgend jemand Nemo gesagt? Und auch das zweite Poster, dasjenige zu Zambezia, kommt einem irgendwie vertraut vor. Woher bloss...?

Dienstag, 17. Mai 2011 - Feuerwerk für alle

OutNow.CH war im buchstäblichen Sinn Zaungast an einer rauschenden Party mit DiCaprio und Co.

Für viele sind sie das Wichtigste am Filmfestival von Cannes: die ausschweifenden Parties. Grandiose Locations, geile Girls und Geld en masse gibt?s während den zwei Wochen des Filmfests genug. Da ist die gute Laune jeweils auch nicht weit weg. OutNow.CH hält sich mit dem Festen zwar eher zurück. Schliesslich wartet der erste Wettbewerbsfilm am nächsten Morgen bereits um 8.30 Uhr, und man ist ja nicht zum Spass hier… Aber der eine oder andere Social-Event darf schon sein, wenn man schon mal eine Einladung bekommt. An die zu kommen, ist nämlich auch nicht ganz einfach.

Unsere westlichen Nachbarn zeigten sich gnädig und luden OutNow.CH zur Party zum österreichischen Film Michael ein. Nun ja, es gibt Glamouröseres als eine Party für einen Michi, der zudem noch Pädo ist (nur im Film). Aber Champagner perlt überall gleich, und so machte man sich auf den Weg an den Strand vor dem Carlton Hotel. Schon beim Eingang war klar, dass die Sause gleich nebenan wohl etwas opulenter gestaltet werden würde. Da standen Duzende Models im hautengen Schwarzen Spalier für die Gäste, und als wir die ersten Häppchen zur Hand hatten, stampften von nebenan auch die Bässe bereits etwas lauter als die der DJ-Anlage auf unserer Seite des Zauns.

Am nächsten Morgen war die Party nebenan der Anlass, von dem tout Cannes sprach. Eine neue Produktionsfirma aus Los Angeles hatte eingeladen. Und es kamen Leo Di Caprio, Bradley Cooper und andere. On Stage spielte ein gewisser Kanye West, der alsbald von seinem Kollegen Jamie Foxx musikalisch unterstützt wurde. Zumindest das Feuerwerk auf dem Meer, für das sich die Neugründer auch nicht zu schade waren, war auch von unserem Festlein aus bestens zu erkennen.

Mittwoch, 18. Mai 2011 - Limitiere Sitzgelegenheiten

Schlangen zu umgehen, lohnt sich nicht immer.

Das Kastensystem, das die Filmjournalisten in Cannes nach Badge-Farbe unterscheidet und unterschiedlich lange Schlangen vor den Kinos zuteilt, kann ganz schön nerven. Eine Pressekonferenz zu besuchen, ist zum Beispiel mit der blauen ID, die OutNow.CH jeweils bekommt, eine völlig abwegige Idee. Da kommt man nie rein mit!

Umso entspannter geht es bei den Vorstellungen im Filmmarkt zu und her. Da laufen die eher struberen Werke (Stichwort UnbeCANNESte Meisterwerke...), oder Filme, die bereits an anderen Festivals zu sehen waren, auch mal ohne grob strenge Einlasskontrolle. Man will sie ja schliesslich an den Mann bzw. die Frau bringen. Bei gewissen Sälen gibt es sogar regelrechte Drehtüren am Eingang, die ein ständiges Kommen und Gehen ermöglichen.

Das wollte auch OutNow.CH mal ausprobieren und landete prompt zehn Minuten nach dem Vorspann in einem Vampirfilm. Der Saal hatte nur ca. 40 Plätze zu bieten, und der Ton war einiges lauter als nötig. Trotzdem sassen auch Menschen auf dem Boden. Sobald aber die ersten potentiellen Käufer für ihre Begriffe genug gesehen hatten und sich wieder erhoben, ging der Kampf um die frei werdenden Sitze los. Irgendwann sass dann auch der OutNow.CH-Verteter mal auf einem richtigen Polster. Und für die letzte Dreiviertelstunde des Films zeichnete sich ab, dass nun nur noch wirklich am Film interessiertes Publikum bis zum Abspann stillsass.

Wobei von Stillsitzen keine Rede sein konnte. Die Stuhlreihen wirkten wie zu wenig festgeschraubt und wackelten bei jedem Beinüberschlag ungeheuerlich. Man lief Gefahr, mit jeder Körperbewegung auf den Boden zu plumpsen oder von erzürnten Mitsehern angeschnauzt zu werden. Entsprechend mucksmäuschenstill versuchte man zu sitzen.

Wer so Filme schaut, sollte eigentlich Geld bekommen und nicht welches ausgeben, um den Film später im eigenen Filmfestival bzw. Vertriebskanal zuhause nochmals präsentieren zu dürfen. Da steht man lieber wieder etwas länger in der Schlange vor dem Grande Auditorium Lumière, und weiss mit Sicherheit, dass man bequem sitzen wird. Obwohl das Gebläse des in den Sitz integrierten Air-Conditionings auch wieder einen Tagebucheintrag für sich wert wäre?

Donnerstag, 19. Mai 2011 - Nackter Wahnsinn

Die ersten Wettbewerbs-Flops sind durch, das Festival hat seinen Skandal, und neue Filme versprechen nackte Tatsachen.

Mittlerweile hat die OutNow-Crew auch im Wettbewerb die ersten Flops erleben dürfen und fühlt dabei den Groove des sich langsam dem Ende zuneigenden Festivals, das seit gestern gestern durch die Provokationen von Lars von Trier auch seinen kleinen Skandal hat. An der aufsehenerregenden Pressekonferenz waren wir als unterprivilegierte Blue-Badge-Holder nicht dabei - das entsetzte Gesicht der neben von Trier sitzenden und sich immer unbehaglicher fühlenden Kirsten Dunst konnte jedoch nachher am Fernsehbildschirm bestaunt werden. Ebenfalls nicht zu beneiden war die Medienverantwortliche für Triers Film Melancholia (Review folgt!), die zufällig neben der OutNow-Crew ihren Zmittag einnahm und deren Augenrollen Bände sprach. Jaa, diese Künstler!

Heute gibt's für die geneigte Leserschaft wieder zwei UnbeCANNESte Meisterwerke. Diesmal zum Thema »Nacktheit«, das immer zieht. Der erste Film heisst The Girl from the naked Eye, wobei man sich fragt, wie wohl ein nacktes Auge genau aussieht. Filmposter Nummer zwei zeigt dann eine sexy Kampfchick und trägt den Titel Naked Soldier. Na, wenn das mal kein Versprecher ist. Ach ja: Das Filmplakat hat auch die Freundlichkeit, uns darauf hinzuweisen, dass der Film mit der nackten Soldatin von niemand geringeren stammt als dem Produzenten von -tatataa - Naked Weapon!

Freitag, 20. Mai 2011 - Wäschetag

Es darf ruhig auch mal öffentlich Wäsche gewaschen werden.

Teile der OutNow.CH-Crew schliefen heute aus und kümmerten sich um die Wäsche. So eine Waschmaschine in der Unterkunft ist halt doch etwas Praktisches. Es dauerte zwar ein bisschen, bis man die genaue Sonnenwanderung ermittelt hatte, um der Wäscheleine die längstmögliche Bestrahlung ab dem Zeitpunkt des Aufhängens der Wäsche zu ermöglichen. Aber die Mitteilung an die Mütter und Chefredaktoren zu Hause mit dem unteren Föteli sollte klar sein: »Wir bleiben sauber!«. Wir tragen täglich frische Unterhosen, wie uns das unsere Mamis gelernt haben, und die Capos können beruhigt sein, dass wir allen Bestechungsversuchen von Presseagenten für bessere Sternli-Bewertungen bei den Filmen widerstehen.

Samstag, 21. Mai 2011 - Wir sind save!

Trotz Bedenken unsererseits kann die Kaida hier in Cannes einpacken. Filmpiraten auch - aber in einem ganz anderen Sinne.

Die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Epizentrum des Festivals von Cannes wurden von der OutNow.CH-Crew bisher immer ein bisschen belächelt. Mehr Elektronik als in einer Tasche eines Website-Redakteurs geht wohl gar nicht: Netbook, zwei Handys, eine Fotokamera, mehrere Akkuladegeräte, USB-Sticks und der dazugehörige Kabelsalat. Aber kein Pieps vom Metalldetektor des Gorillas am Eingang zum Kino?! Da kann doch was nicht stimmen.

Überhaupt scheint es den Security-Menschen eher darum zu gehen, die Polstersitze im Kino sauber zu halten. Wehe, die Abendkleider und Smokings der Damen und Herren bei den abendlichen Galapremieren werden beschmutzt! Esswaren werden deshalb konsequenter konfisziert: vom Getreidestängel bis zum kompletten McFrühstück. Vor der Vorstellung zu Tree of Life glich das Tischlein bei der ersten Sicherheitsschleuse einem kleinen Zmorgebüffet in einer Jugendherberge. Da musste wohl der eine oder andere Filmkritiker hungern für eine Weile.

Doch wehe, man lässt einen Koffer unbeaufsichtigt im Journalistenzimmer… Es ging keine zwei Minuten, schon war der Schäferhund von der Sprengstoffpolizei bei Fuss, und ein händeringender Italiener musste sich ein Weilchen erklären. Wir dürfen uns also doch sicher fühlen.

Sonntag, 22. Mai 2011 - Abschied und Küchenschaben

Time to say goodbye - das Festival ist zu Ende, die Sieger sind bekannt, und OutNow verabschiedet sich von der Croisette.

Die OutNow-Crew ist mittlerweile wieder zu Hause in der Schweiz, die Preise sind vergeben, und auch wenn uns der Siegerfilm nur bedingt gefallen hat, können wir mit den Entscheidungen der Jury bestens leben. Der Darstellerpreis für Jean Dujardin oder der Regiepreis für Nicolas Winding Refn beweisen, dass Robert De Niro bei der Palmenvergabe ein nicht allzu schlechtes Händchen gehabt hat.

Anstelle eines langatmigen Fazits präsentieren wir an dieser Stelle noch ein letztes UnbeCANNEStes Meisterwerk vor. Es geht darin um Küchenschaben (»Cucarachas«) und einen dicken fetten Kater. Mit der fröhlichen Melodie von »La Cucaracha" im Ohr verabschieden wir uns hiermit für dieses Jahr von Cannes - à la prochaine.

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OutNow.CH