Flightplan: Das Interview mit Robert Schwentke
Jodie Foster schaffte es nicht an die Europapremiere von Flightplan anlässlich des Zurich Film Festivals. Stattdessen schaute der deutsche Regisseur Robert Schwentke am roten Teppich vorbei und bewies, was für ein Pfundskerl er ist. Genau die Art von Regisseur, die sich Foster, die sowohl Projekte als auch Mitarbeiter ziemlich autonom auswählen kann, für eine Zusammenarbeit wünschen würde. Der Mann hat eine ganze Reihe weitläufiger Interessen neben dem Filme machen. Kein Wunder lobte der Star aus Hollywood den in Stuttgart Geborenen als einen «Mann der Renaissance» in den kürzlich gegebenen Interviews.
Schwendtke begann ein Studium der Philosophie und der vergleichenden Literaturwissenschaften in Tübingen bevor er sich Abschlüsse an den Filmschulen des New Yorker Columbia Colleges und dem American Film Institute (AFI) holte. Seine Intention war damals, sich das Savoir-faire der Amerikaner zu holen, um es dann im alten Kontinent für Europäische Filme anzuwenden. Flightplan ist sein erster US-Film nach dem semibiographischen Eierdiebe und Tattoo. Letzterer gewann Preise an den Festivals für den fantastischen Film in Porto und Lund.
Mit OutNow.CH sprach der Regisseur darüber, wie er Filmemacher wurde, den Airbus A-380 und die erste Durchführung des Zurich Film Festivals. Seine Antworten sind nicht ganz spoilerfrei. Wer Flightplan noch nicht gesehen hat, liest das Interview besser erst danach.
OutNow.CH (ON): Wie landet einer wie du in Hollywood?
Robert Schwenkte (RS): Weil ich in Deutschland keinen Job bekam. (Er lacht.)
ON: Bist du dorthin gereist, um «ein paar Stoffe zu entwickeln» oder kam da zuerst der Anruf vom Produzenten Brian Grazer?
RS: Ich ging in die Staaten mit einem spezifischen Projekt, das man mir offeriert hat. Es war von Disney, wurde dann hinfällig, als es Probleme beim Casting gab. Die gewünschte Person verlangte zuviel Geld. Deshalb wurde daraus nichts.
ON: Genaue Namen wirst du wohl nicht verraten.
RS: Nein. Dann gab es da ein Script zu Flightplan, welches noch nicht in der heutigen Form vorlag. Das wurde mir dann stattdessen vorgeschlagen. Ich las es, machte mir meine Gedanken, und sprach dann mit ihnen darüber.
ON: War Brian Grazer schon involviert in dieser Phase? Hat er dir je erzählt, wo er sich Tattoo angesehen hat? Oder sah er am Ende gar Eierdiebe?
RS: Er sah Tattoo. Tattoo sahen sich auch die Leute von Disney an, welche mir das erste Angebot machten. Der Film öffnete die Türen.
ON: Weisst du, wo er ihn sich anschaute?
RS: Ich denke, er hatte eine private Vorführung. Das machen die normalerweise so.
ON: Da du zuerst Philosophie studiert hast, frage ich mich, ob du schon immer Regisseur werden wolltest. Wann fiel der Entschluss genau?
RS: Ich fand mit neun oder zehn Jahren eine Kamera. Ich habe schon immer auf die eine oder andere Art Film entwickelt und geschnitten. Zuerst war ich einfach fasziniert davon, dass dieser schmale Streifen Zelluloid, den man in den Projektor spannt, zu einem grossen Bild an der Wand werden kann. Das war das ursprünglich Faszinierende. Ich begann experimentelle Filme zu drehen, aber die meisten meiner Verwandten durchliefen akademische Karrieren. An die Uni zu gehen, gehörte zum comme il faut. Ich hatte nicht einmal einen dieser allseits bekannten Onkel, die als Hobby Landschaften malten. Filme zu drehen, ja nur schon Drehbücher zu schreiben, war kein Beruf, den ich mir überhaupt als Beruf vorstellen konnte. Es wäre mir als Option nicht einmal in den Sinn gekommen. Ich begann deshalb meine akademische Karriere und studiert Fächer, von denen ich wusste, dass sie mich nicht zum Lehrberuf bringen würden wie meine Eltern. Ich drehte aber immer noch nebenbei. Eines Tages realisierte ich aber, dass ich mein Hobby studierte und was ich beruflich wirklich machen wollte, als Hobby verfolgte. Es war ein trauriger Tag innerhalb meiner Familie, als ich bekannt gab, Filmemacher zu werden. Denn für sie ist dieses Volk nur gerade wenig über den Zirkusleuten anzusiedeln.
ON: Marc Forster nennt Apocalypse now als Inspiration, Regisseur zu werden. Gibt es in deinem Leben auch einen solchen Film?
RS: Bei mir war es Alice in den Städten von Wim Wenders. Ich war in Stuttgart so weit weg von irgendeiner Filmindustrie, dass ich Filme als etwas empfand, das von meinem bekannten Kulturkreis weit entfernt war. Für mich kamen Filme aus Frankreich, Spanien oder Hollywood - aber sicher nicht aus Stuttgart. Als ich Alice in den Städten sah, spürte ich zum ersten Mal, dass ich einen Film schaute, der genau aus dem kulturellen Umfeld kam, in dem ich mich bewegte. Er wurde nicht in Stuttgart gedreht, aber ich erkannte die Strassen, Häuser und die Menschen. Ich kannte das Gefühl wegzugehen und wieder zurückzukommen. Mann muss leider sagen, dass die BRD zu der Zeit, in der ich aufwuchs, kulturell eine US-amerikanische Kolonie war. Deshalb entdeckte ich in vielem in diesem Film eine Wahrhaftigkeit, die sich sehr real anfühlte. Ich realisierte, dass Filme etwas sind, das man drehen kann, wo immer man sich befindet. Man findet auch im eigenen Leben Stoffe für Filme.
ON: Auch in Hollywood gibt es eine Kolonie mit Petersen, Emmerich und Zimmer als die bekanntesten Namen deutscher Herkunft. Gibt es ein Gefühl der Zusammengehörigkeit unter den Deutschen, die in Hollywood leben und arbeiten?
RS: Ich denke nicht, dass die Kolonie allzu gross ist. Ich kenne Roland Emmerich, weil wir beide aus derselben Ecke Deutschlands kommen. Deshalb gibt es einen gemeinsamen Nenner und wir haben teilweise die gleichen Freunde. Aber neben Roland, kenne ich weder Wolfgang Petersen noch Hans Zimmer.
ON: Dann lass uns über Flightplan reden. Das Flugzeug spielt im Film eine grosse Rolle und wurde speziell für den Film entwickelt. Trotzdem hat es Ähnlichkeiten mit dem Airbus A-380. Wurde Airbus jemals angesprochen, um im Film mitzuwirken?
RS: Nein. Wir wussten ziemlich genau, dass ihnen nicht gefallen würde, was wir mit dem Flugzeug vorhatten. Wir designten deshalb etwas eigenes, übernahmen aber die Idee vom Doppeldecker-Flugzeug von Airbus, das gross genug sein würde, ein Kind darin zu verlieren. Wir konnten so ein reines Science-Fiction-Konzept vermeiden und den Film in einer bald schon wirklich werdenden Realität ansetzen.
ON: Fluggesellschaften haben allgemein keine Freude daran, ihre Namen in Filmen zu sehen. Wieso denkst du ist das so?
RS: Ist das nicht einfach eine Frage des Copyrights? Die Namen sind einfach vergeben?
ON: Es gibt aber Fälle wie FedEx, die sehr prominent in Cast away vertreten waren. Ein Film, bei dem der Flieger nach 20 Minuten abstürzt.
RS: Ich weiss es nicht.
ON: Interessierst du dich besonders für Flugzeuge?
RS: Nein. Aber ich spiele gerne mit einer Geschichte, die sich in einem einzelnen, geschlossenen Raum abspielt. Das ist eine interessante Voraussetzung für jeden Filmemacher. Wie bringe ich die Geschichte zum laufen und halte sie gleichzeitig interessant?
ON: In Flightplan bleibt man immer im Flugzeug. In ähnlichen Filmen gibt es normalerweise immer Szenen aus dem Tower oder sonst wo vom Boden. Nicht so bei Flightplan.
RS: Es war eine bewusste Entscheidung, den Flieger niemals zu verlassen. Es gibt eine Aufnahme von ausserhalb des Flugzeugs, wenn es schon in der Luft ist. Nicht einmal die war geplant. Wir fügten sie ein, damit die Leute sehen, dass der Flieger nicht abstürzt, wenn die Beatmungsmasken freigelassen werden. Obwohl der Film offensichtlich in einem Studio gedreht wurde, wollten wir die Kamera nie ausserhalb der Röhre des Flugzeugs haben. Denn ich denke, wenn eine Seitenwand entfernt wird, und man die Kamera drei Meter entfernt platziert, kann man zwar immer noch Nahaufnahmen oder einen Medium Shot machen, aber die Zuschauer werden intuitiv die Integrität des Raumes in Frage stellen.
ON: Du hast nach Tattoo gesagt «Das Drehbuch ist nicht die Bibel, sondern nur ein vorläufiger Bauplan.» Würdest du das nach dem Dreh eine grossen Hollywoodfilms immer noch behaupten?
RS: Es ist genau dasselbe.
ON: Du hast immer noch genau gleich viel Entscheidungsfreiheit?
RS: Man muss die haben. Wie weiss man sonst, ob es funktioniert, wenn man es nicht mit Schauspielern gesehen hat. Man muss sich anpassen. Es muss lebendig werden. Nur weil etwas sich gut liest, heisst es noch nicht, dass es sich auch gut spielt. Man muss immer wieder neues schreiben. Die letzte Dialogzeile, als das Mädchen sagt: «Sind wir bald da?», haben wir erst am Set hinzugefügt. Wir mussten die Leute Lachen sehen. Können sie noch Witze machen? Deshalb kam diese Zeile in den Film.
ON: Inwiefern hat der 11. September das Drehbuch beeinflusst?
RS: Man kann nicht so tun, als sei der 11. September nicht geschehen. Speziell wenn man einen Film in einem Flugzeug dreht. Wir sahen es eher als eine Möglichkeit die fremdenfeindlichen Gefühle und die Tatsache zu kommentieren, dass man heute nochmals kurz über die Schulter gucken muss, wenn man an Bord eines Flugzeugs geht.
ON: Wie fiel deine Reaktion aus zum Boykottaufruf der Association of Professional Flight Attendants?
RS: Weisst du, mein bester Freund aus der Primarschule ist mit einer Flugbegleiterin verheiratet. Ich kenne sie und ihre Kolleginnen deshalb sehr gut. Etwa 95 Prozent der Dinge, die sie im Film sagen, kommen direkt von ihnen. Was den Rest betrifft, bin ich mir sicher, dass das Publikum zwischen Fiktion und Fakten unterscheiden können wird.
ON: Wurdest du nicht wütend, dass sie die Handlung des Films preisgaben, für all die Europäer, die den Film noch nicht gesehen haben?
RS: Ich weiss es nicht. Dagegen kann ich wohl nicht allzu viel machen.
ON: Was waren deine Eindrücke vom Zurich Film Festival nach der Premiere gestern?
RS: Meiner Meinung nach war es grandios. Ich hatte eine gute Zeit. Ich denke auch all die anderen waren zufrieden.
ON: Was sind deine Erwartungen im Bezug auf die Arbeit in der Jury?
RS: Ich habe keine, weil ich so etwas noch nie vorher gemacht habe. Es wird für mich alles neu sein. Ich freue mich drauf. Ich sehe und entdecke gerne Filme. Das Festival bietet mir diese Möglichkeit.
ON: Jetzt mal im Ernst. Was ging dir durch den Kopf, als du zum ersten Mal vom Zurich Film Festival gehört hast?
RS: Meine Reaktion war: «Wie meinst du das? Die haben noch kein Festival?» (Er lacht.).
ON: Zum Schluss gibt es nun noch die Pop-up-Fragen.
RS: Zum Glück sitz ich auf einer Couch.
ON: Jodie Foster
RS: Eine wunderbare Schauspielerin und ein wunderbarer Mensch.
ON: Schweizer Film
RS: Ich liebe Alain Tanner. Woher kommt der? Aus Lausanne?
ON: Er ist aus Genf.
RS: Godard, der jetzt in der Schweiz wohnt und arbeitet. Das Boot ist voll, den ich sehr mag. Und dann hat, glaub ich, Mike Eschmann dieselbe Filmschule wie ich besucht ein paar Jahre nach mir.
ON: Julia Hummer
RS: Wunderbar. Wir haben einen Film zusammen gedreht. Wir beide sind besessen von Musik. Wir haben immer Kassetten und CDs getauscht untereinander.
ON: Zurich Film Festival
RS: Viele neue Filme und eine Retrospektive mit Fassbinder-Filmen.
ON: Kinowebseiten
RS: Mmmh.
ON: Hast Du eine Lieblingsseite?
RS: Nein. (Er lacht.)
ON: Vielleicht ist es ja bald OutNow.CH
RS: Genau. Ich werde heute noch vorbeisurfen.
ON: Ich danke dir für das Gespräch.