Sorry, Baby thematisiert sexuellen Missbrauch. Dies mit zwei aussergewönhlich talentierten Schauspielerinnen in den Hauptrollen und einem Drehbuch, das kaum zu übertreffen ist. Dabei ist der Film schonungslos und sanft, lustig und todtraurig, rührend und frustrierend, eine Wucht und subtil - aber vor allem eins: ehrlicher, als es möglich scheint.
Der Film hat noch nicht mal richtig angefangen, da packt er das Publikum schon. Und zwar mit der herzigen Freundschaft zwischen Lydia und Agnes. Wenn die beiden miteinander sprechen, muss man einfach lächeln - oder laut rauslachen, weil sie so irrsinnig witzig sind. Überhaupt darf man während Sorry, Baby immer wieder aufatmen. Denn trotz des harten Themas schafft es Eva Victor als Regisseurin und Schauspielerin, viele lustige Momente einzubauen. Dies häufig unerwartet und nie erzwungen.
Auch das Erzähltempo funktioniert einwandfrei in Sorry, Baby. Die Zuschauenden erfahren schon kurz nach dem Filmstart, worum es die nächsten 103 Minuten gehen wird, auch ohne dass es ausgesprochen werden muss. Die Kapitelunterteilung des Films nimmt das Publikum zusätzlich an die Hand. So kann man der Geschichte trotz ein paar Zeitsprüngen stets problemlos folgen.
Schauspielerisch legen Eva Victor und Naomi Ackie wahre Meisterleistungen ab. Ob im traurigen One-Shot, als junge Studentinnen oder besorgte Freundinnen: Die beiden kommen authentisch rüber. Das dürfte nicht zuletzt an Victors fabelhaftem Drehbuch liegen, das Naomie erlaubt, genau das zu sagen, was jedes Opfer eines Übergriffs so dringend hören sollte. Die Figur steht dem Hauptcharakter Agnes zur Seite und nimmt ihre Reaktion und Verarbeitung immer an, ohne zu verurteilen. Das kann man von den restlichen Charakteren nicht unbedingt behaupten - ein Zustand, den Sorry, Baby leider allzu realistisch darstellt.
Gleichzeitig ist es befreiend und heilend, die Reaktionen von Agnes und Lydia auf jegliche unpassenden Aussagen mit anzusehen. Sie benennen den Schwachsinn, wenn sie ihm begegnen, wehren sich und bleiben sich stets selbst treu. Auch wenn die wenigsten Personen nach einem Trauma so reagieren dürften - es tut gut, wenn diese Gedanken ausgesprochen werden. Und sei es «nur» auf der Leinwand.
Der Film ist direkt, aber nicht «in your face». Er ist lustig, ohne das Thema zu belächeln. Er wärmt von innen, während es einem eiskalt den Rücken runterläuft. Bleibt nur zu hoffen, dass Eva Victor sich bald wieder vor und hinter die Kamera setzt. Bonuspunkte gibt's, wenn auch das nächste Mal ein Büsi mit dabei ist.