The Perfect Neighbor (2025)

  1. 96 Minuten

Filmkritik: Trautes Heim - statt Glück nur Pein

41th Sundance Film FestivalNetflix
Wer bringt hier Licht ins Dunkel?
Wer bringt hier Licht ins Dunkel? © Courtesy of Sundance Institute

Susan Lorincz lebt allein an einer von Einfamilienhäusern gesäumten Strasse in Florida. Sie möchte eigentlich nur ihren Frieden haben, wird aber immer wieder gestört durch laut spielende Nachbarskinder. Sie ruft deshalb des Öfteren die Polizei zu Hilfe, die aber jeweils auch nicht gross weiterhelfen kann, da sie keine Straftaten beobachtet.

«Söll emal cho!»: Die Polizei wird gerufen.
«Söll emal cho!»: Die Polizei wird gerufen. © Courtesy of Sundance Institute

Ganz anders sehen die Sache die Nachbarinnen. Die halten Susan Lorincz für eine «Karen», die immer nörgelnde Frau, die sich für was Besseres hält und die Kids bewusst provoziert. Auch die Eltern der Kinder werden jeweils von den Einsatzkräften befragt. Und sie sehen die Schuld bei Lorincz. Bei einem weiteren Vorfall mit herumgeworfenen Rollschuhen eskaliert der Streit tödlich.

Die Kids wollten nur spielen… Mit ihrer nur aus realen Aufnahmen zusammengeschnittenen Doku vermeidet Geeta Gandbhir eine direkte Auseinandersetzung mit Rassismus und transportiert doch eine subtile, aber dennoch deutliche Botschaft. Eine bis zum Abspann fesselnde True-Crime-Story - trotz sehr US-amerikanischer Thematik.

Einer der Polizisten spricht es im Film gleich selbst an: Wir haben wohl alle als Kinder diesen einen Nachbarn gekannt, der immer etwas zum Nörgeln fand. Je nachdem, wie bedrohlich er oder sie war, fürchtete man sich vor Strafen wie «Ich nehm euch den Ball weg» oder einfach nur vor wüsten Beschimpfungen vom Fenster herab.

Geeta Gandbhir schildert die Vorfälle ausschliesslich mit Hilfe von «echten» Bildern: Bodycams, Überwachungskameras in Verhörräumen, Nachrichtenbeiträge und Aufnahmen aus dem Gericht verdichten sich von vorerst etwas belanglosen Polizeieinsätzen im Quartier bis zur Verhandlung und dem Urteil zu einer spannenden Momentaufnahme der USA. Eine ganz neue Art von True-Crime-Drama.

Gandbhir überschreitet dabei die Grenze zum Voyeurismus, wenn sie das Überbringen der Todesnachricht im Bild zeigt. Weil man aber immer nur das Danach statt den eigentlichen Streit sieht, kann man sich auch nie ganz sicher sein, was sich wirklich abgespielt hat.

The Perfect Neighbor streift so eine ganze Palette von Themen, die vor allem für die USA relevant sind. «Stand your Ground»-Gesetze, lasche Waffenkontrolle, das Phänomen der «Karens» aber auch Bodycams gehören in Europa nicht zum Alltag. Unterschwellig geht's aber auch um die Rassenkonflikte.

Der Film thematisiert Rassismus nicht explizit und hat auch keine Experten, die einem die Thematik erläutern. Trotzdem sind Szenen mit einer weissen Frau, die sich ängstlich in ihrem Haus in einer nicht-weissen Gegend verschanzt und von der Polizei immer als unbedrohlich angesehen wird, vielsagend.

Roland Meier [rm]

Roland sammelt 3D-Blu-rays, weil da die Publikationen überschaubar stagnieren, und kämpft im Gegenzug des Öfteren mit der Grenze der Speicherkapazität für Aufnahmen bei Swisscom blue TV. 1200 Stunden Film und Fernsehen ständig griffbereit sind ihm einfach nicht genug.

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