Novocaine (2025)

Novocaine (2025)

Mr. No Pain
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  3. 110 Minuten

Filmkritik: Du hast da was Rotes

«Ach, ich häng nur so ein bisschen rum.»
«Ach, ich häng nur so ein bisschen rum.» © Paramount Pictures

Nathan Caine (Jack Quaid) scheint ein ganz normaler Durchschnittstyp zu sein. Er arbeitet bei einer Bank, ist stets freundlich und zockt am liebsten übers Internet. Doch bei genauerem Hinsehen fallen einem ein paar Sachen auf. Wieso läutet seine Uhr alle drei Stunden? Und wieso sind in seiner Wohnung viele scharfen Gegenstände und Kanten abgeklebt? Die Antwort: Nathan kann wegen einer Erbkrankheit keinen Schmerz empfinden. So erinnert ihn seine Uhr jeweils, dass er mal wieder auf die Toilette gehen sollte - da er nicht spürt, wann die Blase drückt, könnte diese irgendwann explodieren. Würde er sich irgendwo schneiden, würde er dies nicht mitbekommen.

What a feeling!
What a feeling! © Paramount Pictures

Weil ihm das peinlich ist, behält er die Sache mit der Erbkrankheit für sich und lebt allein. Doch dann verguckt er sich in seine neue Arbeitskollegin Sherry (Amber Midthunder), der er eines Tages sein Handicap anvertraut. Für Sherry ist das alles kein Problem und die beiden verbringen daraufhin sogar eine Nacht miteinander. Alles ist wunderbar, doch dann wird gleich am nächsten Tag Nathans Bankfiliale überfallen und Sherry von den Kriminellen als Geisel mitgenommen. Um seine Traumfrau zu retten, münzt Nathan sein Handicap kurzerhand in eine unerwartete Stärke um.

Novocaine gefällt als schräge und blutige Actionkomödie, bei der man die Horrorwurzeln der Regisseure immer wieder spürt - besonders beim Gore. Jack Quaid gefällt darin als sympathische «Oh mein Gott, was mache ich hier bloss?»-Kampfmaschine und seine Szenen mit Love-interest Amber Midthunder sind schon sehr herzig. Eine Sache wird jedoch etwas gar früh enthüllt, was die Dynamik nicht unbedingt zum Positiven verändert - das schmerzt, da es leicht vermeidbar gewesen wäre. Aber über alles gesehen: A bloody good time.

Es ist beim ersten Hinhören schon sehr lustig, dass die Actionkomödie Novocaine mit dem R.E.M.-Hit «Everybody Hurts» beginnt. Immerhin spürt Protagonist Nathan Caine keinen Schmerz - also keinen physischen. Von solchen singt Michael Stipe aber ohnehin nicht. Es sind die emotionalen Schmerzen, die da besungen werden - und die hat Nathan auf jeden Fall, was ihn zu einem durchaus sympathischen Protagonisten macht.

Bevor bei Novocaine so richtig die Post abgeht, geht der Film des Regie-Duos Dan Berk und Robert Olsen fast schon als herzige Romcom durch. Nathan gleicht sein Handicap mit ganz viel Mitgefühl aus. So zeigt er in einer der ersten Szenen sehr viel Verständnis für einen in die Bredouille geratenen Witwer und hilft diesem mittels eines vertraglichen Schlupflochs. Nathan ist ein Good Guy durch und durch. Deshalb fühlt es sich auch so gut an, wenn er mit der Arbeitskollegin auf ein Date geht und wegen der tollen Chemie zwischen Jack Quaid und Prey-Star Amber Midthunder geht das sogar richtig nahe.

Mit dem Banküberfall kippt es aber, wobei der Horror-Background des Regie-Duos auch immer wieder durchdrückt. Es gibt dann Gore, Jump Scares und Totgeglaubte stehen plötzlich nochmals auf. Die Macher hatten dabei auch sichtlich ihren Spass. Novocaine ist durchzogen von rabenschwarzem Humor. Der Held spürt zwar keine Schmerzen, wenn er dann aber mal in eine brodelnde Fritteuse greift, dann dürften sich einige im Kinosaal ein «Oh, nein» oder «Aua» nicht verkneifen können. In Deutschland hat der Film aufgrund einiger brutalen Szenen eine Freigabe ab 18 kassiert - zu recht. In der Schweiz ist er ab 16 Jahren freigegeben.

Bietet Novocaine somit also durchgeknallten Spass von Anfang bis Ende? Das leider nicht. Zum einen wird eine entscheidende Sache, auf die wir hier nicht näher eingehen wollen, viel zu früh offenbart und nimmt so dem Ganzen etwas den Wind aus den Segeln. Auch passiert die Verwandlung vom Bürogummi zur Kampfmaschine etwas gar plötzlich. Jemand, der zuvor jahrelang sein Essen püriert hat, weil er dachte, dass er sich bei fester Nahrung die Zunge unbewusst abbeissen würde, soll nun ohne Rücksicht auf Verluste fast doppelt so grosse Gegner mit seinen blossen Händen ausschalten? Zugegeben, einen hohen Realitätsanspruch hat Novocaine nicht gerade, doch das ist selbst für ein solch irres Szenario schon ein etwas gar grosser Sprung.

Trotzdem macht Quaid als leicht verschupfter Held eine tolle Figur. Er überzeugt in den Actionszenen wie auch in den humorvolleren und romantischeren Momenten. Der Hauptgegner seines Nathan wird übrigens von Ray Nicholson gespielt, seines Zeichens Sohnemann des dreifachen Oscarpreisträgers Jack Nicholson. Schon in Smile 2 konnte Nicholson Junior sein sinistres Grinsen zeigen. Hier ist es auch wieder gut eingesetzt - und am Ende von Novocaine dürfte auch das Publikum durchaus Grund zum Grinsen haben.

Chris Schelb [crs]

Chris arbeitet seit 2008 für OutNow und leitet die Redaktion seit 2011. Seit er als Kind in einen Kessel voller Videokassetten gefallen ist, schaut er sich mit viel Begeisterung alles Mögliche an, wobei es ihm die Filmfestivals in Cannes und Toronto besonders angetan haben.

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