Game Over - Der Fall der Credit Suisse (2025)

Game Over - Der Fall der Credit Suisse (2025)

  1. 104 Minuten

Filmkritik: … and then there was one.

«Spieglein, Spieglein an der Wand: Wer ist die grösste Bank im ganzen Land?»
«Spieglein, Spieglein an der Wand: Wer ist die grösste Bank im ganzen Land?» © 2025 Ascot Elite Entertainment. All Rights Reserved.

Am 19. März 2023 wurde die einst so stolze Credit Suisse von der Konkurrentin UBS übernommen. Wie konnte es dazukommen, dass die Schweiz statt zwei Grossbanken nur noch eine Megabank hat? Für diesen Dokumentarfilm - und auch ein Buch - begab sich Sonntagszeitung-Chefredaktor und Investigativjournalist Arthur Rutishauser auf Spurensuche - und landete dabei im Jahr 1977, als der Chiasso-Skandal den Niedergang der Credit Suisse einleitete.

MVP: Ex-CS-Mitarbeiter Richard J. Chandler
MVP: Ex-CS-Mitarbeiter Richard J. Chandler © 2025 Ascot Elite Entertainment. All Rights Reserved.

Obwohl die damalige Schweizerische Kreditanstalt laut Rutishauser eigentlich schon im Jahr 1977 im Prinzip bankrott war, wurde weitergeschäftet. Unter Leitung von Rainer E. Gut expandierte man ins Ausland und kaufte Firmen auf, sodass die in den 1980ern in «Credit Suisse» umbenannte Bank immer grösser und zum globalen Player wurde. Doch durch Gier, schlechtes Management und je länger mehr Ärger mit den US-Behörden ging es besonders nach der Bankenkrise 2008 nur noch abwärts.

Game Over - Der Fall der Credit Suisse zeigt genau das, was der zweideutige Titel verspricht. Anhand von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, Recherchen und viel Archivmaterial wird durchaus verständlich aufgezeigt, was alles in den letzten fast 50 Jahren bei der CS verbockt wurde. Herausgekommen ist eine Dokumentation, ob deren Inhalt man sich empören und zwischendurch auch mal nur den Kopf schütteln kann. Das hohe Tempo, die Inszenierung und die Musik sind dabei darauf ausgerichtet, einen möglichst hohen «Impact» zu haben. Das kann ermüdend sein, aber als unterhaltsames Infotainment erfüllt der Film seinen Zweck.

Credit-Suisse-Mitarbeitende mussten sich am 19. März 2023 wie während der Coronapandemie gefühlt haben. Am Abend dieses Sonntags schalteten sie SRF 1 ein, wo ihnen in einer angekündigten Pressekonferenz - an der (wieder) Bundesrat Alain Berset anwesend war - mitgeteilt wurde, ob und auf welche Weise es weitergeht - die Aussichten waren schlecht, dass es noch hätte weitergehen können. In welchen Bereichen zuvor wegen Gier und nicht funktionierenden Kontrollinstanzen hingegen viel zu viel gegangen ist, beleuchtet diese Doku.

Der Fokus des Filmes von Simon Helbling, der zuvor die ausgerechnet durch die Credit Suisse unterstützte Fussball-Nati-Dok The Pressure Game umgesetzt hat, liegt dabei auf den Negativschlagzeilen. Grosse Errungenschaften wie die Finanzierung des Gotthardtunnels werden nur kurz gestreift. Danach geht es Schlag auf Schlag oder Skandal auf Skandal - unterlegt mit fast durchgehender überdramatischer Musik. Mit Positivem hält man die Leute nicht lange bei der Stange. Mit Informationen, über die man sich empören kann, hingegen schon. Auch wegen der Involvierung der Tamedia als Co-Produzentin ist da der Gedanke zum Clickbait-Film nicht weit. Zudem dürften reisserische Netflix-Dokus auch ihren Inspirationsanteil geleistet haben.

Der Niedergang einer Schweizer Grossbank ist aber nicht schön und um diesen nachzuzeichnen, wurde von Sonntagszeitung-Chefredaktor Arthur Rutishauser vieles an interessantem Material zusammengetragen. Schockierend sind vor allem die Mosambik-Episode und wie Mitarbeiter beim US-Steuerstreit einfach im Regen stehen gelassen wurden. Mit Fachbegriffen wird nicht gegeizt, doch wegen des horrenden Erzähltempos - in den 104 Minuten werden fast 50 Jahre abgedeckt -, bleibt nicht viel Zeit für Erklärungen. Wer gehofft hat, dass auch hier Margot Robbie den Film unterbricht, damit sie in einem Schaumbad sitzend uns Pfandbriefe näherbringt, müssen wir hier enttäuschen.

Stattdessen gibt es andere «Talking Heads», darunter auch Rutishauser selber, der jedoch immer etwas verdeckt und von der Seite gefilmt wird - als sei ihm die Kamera nicht geheuer. Die Stärke des Investigativjournalisten ist aber die Recherchearbeit und diese ist schon sehr eindrücklich. Deutlich wohler vor der Kamera fühlt sich derweil der Ex-CS-Mitarbeiter Richard J. Chandler, der heimliche Star des Ganzen. Sein Galgenhumor ist köstlich und wenn er sich mal mit verschränkten Armen darüber aufregt, dass die Top-Manager trotz allem immer ihre «verdammten Boni» bekommen haben, ist das sehr sympathisch.

Es gibt auch jene, die nicht vor der Kameras treten wollten - und diese bekommen ordentlich auf den Deckel. Unter anderem an Brady W. Dougan oder Tidjane Thiam wird kaum ein gutes Haar gelassen. Andere Verantwortliche, die für den Film interviewt wurden, kommen deutlich besser weg. Die ganze Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Die grosse Stärke von Game Over - Der Fall der Credit Suisse ist jedoch, dass er den trocken klingenden Stoff mitreissend auf die Leinwand bringt. Die Schweiz kann jetzt also auch «Infotainment».

Chris Schelb [crs]

Chris arbeitet seit 2008 für OutNow und leitet die Redaktion seit 2011. Seit er als Kind in einen Kessel voller Videokassetten gefallen ist, schaut er sich mit viel Begeisterung alles Mögliche an, wobei es ihm die Filmfestivals in Cannes und Toronto besonders angetan haben.

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