Das Coming-of-Age-Drama von Olga Dinnikova befasst sich mit einem örtlichen und kulturellen Perspektivenwechsel. Zu Beginn in Lettland lebend, müssen die beiden Protagonistinnen aus ihrem gewohnten Umfeld weg und geraten in ein ihnen unbekanntes Umfeld, das grosse Unterschiede zu ihrem Heimatort offenbart.
Etwas plakativ, aber trotzdem glaubhaft zeigt der Film Rigas heruntergekommene Ecken: Plattenbauten, beengte Wohnungen und dreckige Clubs. Im krassen Kontrast dazu steht das gutbürgerliche Leben in einem Schweizer Vorort. Dinnikova spielt mit diesen Gegensätzen und unterschiedlichen Lebenswelten. Diese fühlen sich manchmal lebensnah und realistisch, streckenweise aber doch sehr konstruiert an. Riga, Drogen und Party entfalten dabei eine ganz andere Wirkung als die neue, überschaubare Existenz in der Schweiz, wenn die Dialoge abgehackt und brüchig in Englisch daherkommen.
Wesentlich näher an der Realität, lassen die Mutter-Tochter-Szenen in Lettland mit all ihren Konflikten stärkere Emotionen zu. Dass sich die beiden Frauen gefühlstechnisch schon längst entfremdet haben, vermittelt die junge Hauptdarstellerin Aurélija Pronina. Als Tochter rebelliert sie, geht ihren eigenen Weg und bietet ihrer Mutter mit arktischer Kälte Paroli - ein richtiger Teenie eben. Mit eiserner Miene, übermüdeten Augen und trotzigen Antworten macht sie klar, dass eine emotionale Annäherung von Mutter und Tochter utopisch wäre.
Doch auch Daria Egorkina als besorgte Mutter spielt ihre Rolle glaubhaft. Lediglich Marcus Signer hat - für einmal - eine Rolle inne, die ihn nicht brillieren lässt. Zu versteift und wenig authentisch wirkt sein dargestellter Charakter. Und dies stellt dann auch das grösste Problem von Behind the Glass dar: Die Story-Parts in Riga und der Schweiz halten qualitativ nicht zusammen. Sie wirken klischiert und erzwungen in ihrem Ablauf. Plötzlich weichen die starken, emotionalen Szenen seltsamen Gesprächen und Handlungen, die Geschichte wird lesbar. Nun führen weniger die emotionalen Momente durch das Drama, sondern der Film hakt einzelne Programmpunkte ab.
Optisch besticht Behind the Glass hingegen durch ästhetisch-reale Bilder von Lettlands Stadtteilen, die touristisch nicht die höchstfrequentierten sein dürften. Die durch die Story erzählte Tristesse trägt der Film visuell sehr schön ans Publikum heran.