Typisch Emil (2024)

Typisch Emil (2024)

  1. 120 Minuten

Filmkritik: Der Fan in meinem Bett

20. Zurich Film Festival 2024
Blick zurück
Blick zurück © Filmcoopi

Oft reicht ein Requisit, und man weiss, welche Emil-Nummer gemeint ist. Das schwarze kabelgebundene Telefon? Und es klingelt «Nachts auf der Hauptwache». Die grosse Milchkanne? Die Bauernregeln aus «Im Januar - Im Januar»! Emil Steinberger ist der Mensch, der sich diese Schweizer Kult-Sketche ausgedacht hat. Ein Luzerner aus mittelständischer Familie - immer schon interessiert an Rollenspielen und Kabarett - der alles auf die Karte Theater setzt und Anfang der 1970er unfassbare Bühnenerfolge feiert. Bis ihm die Popularität in der Schweiz zu viel wird und er sich 1993 nach New York verzieht.

Emil - (Nicht) Allein in New York
Emil - (Nicht) Allein in New York © Filmcoopi

Dort lernt er seine Brieffreundin Nicell kennen, die er heiratet und die ihm die Freude am Leben zurück gibt. Als Paar kehren sie zur Jahrtausendwende in die Schweiz zurück. Preise fürs Lebenswerk in Deutschland und der Schweiz folgen. Emil kehrt sogar «No einisch» zurück auf die Bühne, auch wenn sein Erfinder stramm auf die 90 zugeht. Franz Hohler, Christoph Marthaler, Hans Zippert und andere erklären Steinbergers Geheimnis: sein ansteckender Schalk, seine Beobachtungsgabe für den Bünzli in uns allen und sein eifriger Perfektionismus. An Schaffenspausen scheint da ein Leben lang nicht zu denken.

Die Doku über den über 90 Jahre alten Kult-Komiker Emil Steinberger wühlt im Archiv und spannt nicht nur den Bogen seiner langen Karriere, sondern lässt auch die Lachmuskeln kontrahieren. Die treibende Kraft hinter dem Film scheint Gattin Nicell zu sein, die sich teils mehr oder weniger charmant in den Vordergrund drängt. Die ausgegrabenen Sketche bleiben unverwüstlich exzellent und werden gut kombiniert mit nachdenklich stimmenden Sequenzen. Ein beachtliches Porträt einer Humor-Legende.

Was Kylie für die Briten und Shakira in Südamerika ist, ist Emil für die Schweiz: so ziemlich der einzige Promi unseres Landes, der keinen Nachnamen zu tragen braucht, denn alle wissen, wer gemeint ist. Typisch Emil suggeriert zum Ende, dass sogar heutige Primarschüler seine Sketche noch nachspielen. Dabei liegt der Höhepunkt von Steinbergers Popularität mehr als 50 Jahre zurück.

Typisch Emil feiert seine alten Nummern. Alles Klassiker, die mitsprechen kann, wer sie noch kennt. Seine Auftritte im Zirkus Knie erinnern an die kongeniale Vereinigung von Manege, Publikum und Figuren - Emil bleibt ein Phänomen, ein Kulturgut, das zur Deutschweiz gehörte und sogar in der Romandie funktionierte. Schon damals galt es zu unterscheiden zwischen Emil, der Kunstfigur und Steinberger, dem Menschen, der die Kunstfigur erschaffen hat. Dieser schmale Grat überspringt auch dieser Film nur bedingt.

Ein Film über und mit Steinberger war schon länger geplant, aber nie realisiert worden. Zwei Luzerner, Regisseur Phil Meyer und Kameramann Elmar Bossard sind vom Ehepaar Steinberger erkoren worden, umfassendes Archivmaterial und aktuelle Interviews zu einem Zweistünder zusammenzuschneiden. Die Spannweite ist gross: Von Schwarz-Weiss-Aufnahmen gemeinsam mit Franz Hohler, Dimitri und Mani Matter bis hin zu USA-Home-Videos von Nicell kommt da einiges zusammen. Auch Emils Filmkarriere, die nicht nur aus Die Schweizermacher besteht, wird mit kurligen Ausschnitten gestreift.

Trotz einer stattlichen Anzahl renommierter Weggefährten, die zu Wort kommen, ist Typisch Emil aber nicht einfach eine Lobhudelei, sondern eine ziemlich umfassende Biographie eines Mannes, dessen Lebenslauf Höhen und Tiefen hatte. Fast nichts wird ausgelassen; auch nicht die nachdenklich stimmenden Etappen seines Daseins. Sogar die Stationen von Emil als Luzerner Kinobesitzer, und Erfinder des «Melitta-Manns» werden abgedeckt. Nur seine erste Ehefrau Maya Rudin bleibt aussen vor. Sie erhält eine Schrifttafel vor dem Abspann, während Niccel die New Yorker Zeit mit dem Camcorder dokumentiert, über ihre eigene Kunst spricht und Emils Nasenhaare schneiden darf.

Roland Meier [rm]

Roland sammelt 3D-Blu-rays, weil da die Publikationen überschaubar stagnieren, und kämpft im Gegenzug des Öfteren mit der Grenze der Speicherkapazität für Aufnahmen bei Swisscom blue TV. 1200 Stunden Film und Fernsehen ständig griffbereit sind ihm einfach nicht genug.

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Der Film wird Openair aufgeführt, das nächste Mal am 7. Juli 2025.

Trailer Schweizerdeutsch mit deutschen Untertitel, 2:21 © Filmcoopi

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