Sauvages ! (2024)

Sauvages ! (2024)

Sauvages - Tumult im Urwald
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  3. 87 Minuten

Filmkritik: Ma vie à Borneo

77e Festival de Cannes 202477° Festival del film Locarno 2024
Jetzt benimm dich nicht so affig!
Jetzt benimm dich nicht so affig! © Frenetic Films

Kéria lebt mit ihrem Vater auf Borneo. Ihr Vater arbeitet auf der lokalen Palmöl-Plantage. Gemeinsam retten die beiden ein Orang-Utan-Baby vor den zerstörerischen Plantage-Arbeitern. Kéria nimmt das Affenbaby mit nach Hause und freundet sich mit ihm an. Zur selben Zeit kommt Kérias kleiner Cousin Selaï zu ihr und ihrem Vater zu Besuch. Er lebt mit seinem Volk im Dschungel von Borneo, den die den mächtigen Besitzer der Plantage nach und nach aufkaufen und abholzen, um ihn zu Agrarfläche umzuwandeln.

Gute Nacht, kleines Äffchen
Gute Nacht, kleines Äffchen © Frenetic Films

Damit Selaï nicht zu sehr in den Konflikt involviert wird, verweilt er bei Kéria und ihrem Vater. Gemeinsam mit dem Äffchen und Selaï kommt Kéria ihren eigenen Wurzeln mehr und mehr auf die Spur. Sie erkennt die Dringlichkeit, den Regenwald zu schützen. Denn er ist die Lebensgrundlage nicht nur vieler Tiere, sondern ihrer eigenen Vorfahren.

Claude Barras hat sich 2016 mit Ma vie de courgette einen Namen gemacht und Kritiker wie auch das Publikum mit einer herzerwärmenden Geschichte verblüfft. Mit Sauvages ! nimmt er nun uns mit nach Borneo und erzählt von der Abholzung des Regenwaldes. Erneut kreiert er liebenswerte Charaktere in seinem ganz eigenen Stop-Motion-Puppen-Stil, die im Zentrum des Geschehens stehen. Eine herzige Geschichte für Gross und Klein mit Tiefgang und wunderbaren Figuren.

Acht Jahre nach dem Publikumsliebling und mehrfachen Gewinner des Schweizer Filmpreises Ma vie de courgette hat Claude Barras seinen neuen Film fertiggestellt. Mit der durch seinen Erstling bekannten und beliebten Art von Figuren und Settings, die allesamt durch aufwändigste Stop-Motion-Technik in kleinsten Einzelschritten entstanden sind, nimmt sich Barras diesmal des Dschungels und der indigenen Bevölkerung auf Borneo an.

Sauvages ! erzählt auf leicht verständliche Weise, wie der Regenwald abgeholzt wird und welche Folgen dies mit sich bringt. Er unterteilt klar in Gut und Böse: Gut sind diejenigen, die sich für den Erhalt des Waldes als Lebensgrundlage für Mensch und Tier einsetzen. Böse sind diejenigen, die aus reiner Profitgier diese Lebensgrundlage zerstören wollen. Die ganze Geschichte ist so aufgearbeitet, dass sie auch für das kleine Publikum gut verständlich ist. Mit dem Thema Social Media nimmt sie auch Bezug zur Aktualität und erzählt die Rahmenhandlung optimal auf das Wesentliche reduziert.

Und doch hat der Film eine klare Haltung und stellt eine Forderung und gleichzeitig einen Auftrag an das erwachsene Publikum: den sorgfältigen, nachhaltigen Umgang mit dem Regenwald, mit der Natur und mit unserem Planeten. Gegen Ende der 85-minütigen Laufzeit kommt Sauvages ! etwas in Eile, so bleibt nicht mehr viel Zeit, zu zeigen, wie die beiden Parteien ihren Konflikt lösen.

Barras' Figuren erinnern optisch stark an diejenigen aus seinem Vorgängerfilm, kommen aber insgesamt etwas realistischer und weniger bunt daher. Symptomatisch für die Puppen sind die übergrossen Köpfe und die vergrösserten, weit auseinanderliegenden Augen, die den Figuren ihren Charme verleiten. Und doch hat sich Barras in Sauvages ! hinsichtlich Aussehen, Haare, Körperbemalung und Kleidung stark an der Kultur Borneos orientiert und seine Figuren dementsprechend kreiert und gestaltet.

Besonders erwähnenswert ist das Sounddesign des Filmes, für das Barras indigene Menschen einbezogen hat, um die Gesänge und Waldgeräusche richtig authentisch abzubilden. So entsteht ein herrlicher Geräuschteppich aus diversen Dschungelgeräuschen, plätscherndem Wasser und einer wunderschönen Gesangseinlage ganz zum Schluss. Mit Sauvages ! legt Claude Barras fulminant nach und beweist erneut, dass er seine Geschichten mit viel Herz und tollen Charakteren erzählen kann, die Jung und Alt ansprechen.

Yannick Bracher [yab]

Yannick ist Freelancer bei OutNow seit Sommer 2015. Er mag (Indie-)Dramen mit Sozialkritik und packende Thriller. Seine Leidenschaft sind Filmfestivals und die grosse Leinwand. Er hantiert phasenweise noch mit einem Super-8-Projektor und lernt die alten Filmklassiker kennen und schätzen.

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