Es ist rund 22 Jahre her, seit Aragorn, Sohn des Arathorn, die Tore Edoras aufgestossen und eine ganze Generation mit seinem Slow-Motion-Swagger verzückt hat. Neben den eindrücklichen Holzbauten der Rohirrim-Hauptstadt gehört auch die Bergfestung Helms Klamm zu den eindrücklichsten Kulissen der Ring-Saga. Umso grösser war die Freude, als eine neue Produktion angekündigt wurde, die in Rohan spielen und sich um die sagenumworbene Hornburg - so der ursprüngliche Name von Helms Klamm - drehen sollte. Und das mit einer frischen neuen Heldin. Und als Anime.
Als Anime? Lord of the Rings-Puristen und Animationsfilmskeptiker mögen ab dieser Entscheidung die Nase rümpfen. Abgesehen davon, dass Animationsfilme mit Mittelerdebezug überhaupt kein Novum sind (The Hobbit, The Lord of the Rings, The Return of the King) und bei der Hobbit-Trilogie so viel CGI verwendet wurde, dass sie nicht weit vom Animationsfilm entfernt ist, beweist The Lord of the Rings: The War of the Rohirrim einmal mehr, dass der Animationsfilm das perfekte Medium für Fantasy-Adaptionen ist.
Keine andere Filmmachart hat derart viel Freiheit in der Kreation fremder Welten, atemberaubender Schlachten und der Visualisierung von Magie. Animationsfilme sind weder an Schwerkraft noch an den wunderbaren Planeten Erde gebunden und haben als einzigen limitierenden Faktor die Vorstellungskraft der Filmemacherinnen und -macher - und vielleicht das Produktionsbudget. All dies hat sich Regisseur Kenji Kamiyama meisterhaft zu Nutzen gemacht. Und trotzdem fühlt man sich sofort in Rohan zu Hause, dank Zugang zu den ursprünglichen Designs der Jackson-Filmtrilogie, die minutiös in die Designs der Landschaften und Gebäude einflossen.
Abgesehen von der Machart unterscheidet sich das animierte Prequel von bisherigen Filmen aus dem Jackson-Universum dadurch, dass erstmals eine weibliche Protagonistin im Zentrum der Geschichte steht. Mit Héra wurde eine Figur erschaffen, die im Tolkiens Mittelerde so nicht existiert. Dies gab den Filmemacherinnen und -machern die Freiheit, eine moderne junge Frau zu gestalten, die stark sein darf, ohne zur Superheldin zu werden, die Fehler machen darf und daran wächst.
Dies macht ihren Auftritt im finalen Kampf zu einem der befriedigendsten Momente des ganzen Franchises. Héra ist auch ein dringend benötigter Gegenpol zu den hitzköpfigen Männern um sie herum, die aus Stolz und Engstirnigkeit Tod und Zerstörung im Land verursachen, ohne Bedacht auf Menschenleben in ihrer Obhut. Héra kämpft ebenso stark und zwischendurch grausam wie ihr Vater und dessen Gegner - aber stets zum Schutz ihrer Familie und der Rohirrim.
Erzählt von Éowyn-Schauspielerin Miranda Otto und mit einem tollen Voice-Cast (u.a. Brian Cox als Helm Hammerhand), ist die düstere Geschichte ein einzigartiger Animationsfilm mit viel Tiefgang und hohem Erzähltempo - aber definitiv nichts für Kinder. Sie stürzt das Publikum von einer Schlachtenszene in die nächste und verzichtet oft darauf, die Geschichte mit ruhigeren oder heiteren Momenten aufzulockern. Dabei entsteht etwas gänzlich Neues im Universum von Mittelerde. Die Magie, die dieses Franchise so besonders gemacht hat, bleibt dabei leider etwas auf der Strecke. Wer sich schon immer gewundert hat, ob Studio Ghibli, Game of Thrones und Mittelerde zusammenpassen, sollte The Lord of the Rings: The War of the Rohirrim auf keinen Fall verpassen.