Alles, was es brauchte, war ein äusserst putziger und tollpatschiger Bär. Mit der Bösewichtrolle in Paddington 2 kam der ehemalige Romcom-Darling Hugh Grant offensichtlich auf den Geschmack des Bösen und spielt seither fast nur noch Fieslinge. Aber wieso auch nicht?! Das Grinsen des Briten eignet sich perfekt für solche Rollen, und er scheint auch sichtlich seinen Spass dabei zu haben.
So düster und böse wie in Heretic sah man Grant aber bisher noch nicht. Er ist das Highlight eines Filmes, der in der ersten Hälfte «nur» mit einer bedrohlichen Atmosphäre und Worten fesselt, bevor es dann in einer Mischung aus Barbarian und einem aus Spoilergründen hier nicht erwähnten Beitrag der «New French Extremity» doch noch deftig wird.
Wie geschwätzig der Film anfänglich ist, scheint überraschend angesichts des Regie- und Drehbuch-Duos. Denn Scott Beck und Bryan Woods sind bisher mit den nicht gerade dialoglastigen Filmen A Quiet Place und 65 aufgefallen. Heretic wirkt nun ein bisschen, als wollten die beiden dies kompensieren. Das beginnt schon bei der ersten Szene, in denen die beiden Mormoninnen wie in einem Tarantino-Film über alle möglichen Dinge reden - darunter auch über Pornos.
Es ist eine gute Sache, dass Sophie Thatcher und Chloe East ihre Missionarinnen nicht als Musterschülerinnen verkörpern, die nur schon beim Wort Porno schreiend davonlaufen. Sie spielen moderne Gläubige, die das Internet nutzen. So sind sie sich beispielsweise der Existenz des Musicals «The Book of Mormon» bewusst und wissen deshalb auch, dass man über sie lacht. Ihr Glaube steht deshalb etwas auf wackligen Beinen, was das spätere Psychoduell umso spannender macht.
Sind sie einmal in die Falle getappt, kommt es zu einem der unterhaltsamsten (Anti-)Religionsunterrichte der Filmgeschichte. Da nimmt Hugh Grant mit historischen Fakten, Monopoly, Radiohead und Star Wars genüsslich die Weltreligionen auseinander. Wie er das spielt, hat allergrössten Unterhaltungswert. Das Bild an der Wand, auf dem in gehäkelter Form «Bless This Mess» steht, ist augenzwinkernd zu verstehen: für das Durcheinander, das die unterschiedlichen Glaubensrichtungen mit ihren Interpretationen und «Wundern» veranstaltet haben. Zwar prägt Grants Ketzer (englisch: Heretic) diesen Glaubenskampf, doch wehrt sich besonders die von Thatcher gespielte Barnes zwischendurch ganz anständig.
Bis der Gewaltgrad anzieht, müssen sich Horrorfans gedulden. Die Protagonistinnen schweben zwar in Gefahr, doch ihr intellektueller und sadistischer Peiniger gibt ihnen genug Zeit, um überlegte Entscheidungen zu fällen. Zwischendurch dauert das etwas gar lange, aber ist dies erfrischend für ein Genre, in dem die Figuren sonst schnell in Panik geraten und dumme Dinge machen. Nicht gerade dumm ist das Finale des Filmes, es geht aber ein wenig in die Kategorie «Wer's glaubt …», da es die Sache mit der Logik nicht mehr ganz genau nimmt. Trotzdem gehört Heretic zu den interessantesten Horrorthrillern des Jahres - vor allem wegen Hugh Grant. Danke dafür, Paddington!