Mit dem fünften Teil seiner Mad-Max-Saga konnte George Miller eigentlich nur verlieren. Wie zum Teufel soll Mad Max: Fury Road, einer der wenigen perfekten Actioner der Filmgeschichte, getoppt werden? Das zu wiederholen, würden sich nur tollkühne Wahnsinnige trauen - zu denen man den australischen Regisseur ja durchaus zählen kann. Doch Miller ist eben auch ein schlaues Kerlchen: Er studierte Medizin und holte sich Inspirationen für den ersten Mad Max unter anderem von seinem ersten Job als Unfallarzt. Anstatt Fury Road zu kopieren, erzählt Miller im Prequel die Geschichte der Furiosa in einem epischen und mystischen Ausmass à la Once Upon a Time in the West und mit Bildern, die einen David Lean (Lawrence of Arabia) stolz machen würden.
Angesichts der Laufzeit von 148 Minuten kann man das zwar als ziemlich aufgeblasen abtun - am Ende ist es auf Storyebene eine simple Rachestory -, doch es ist ein Genuss, diesem Treiben zuzustehen. Wie schon der Vorgänger ist Furiosa: A Mad Max Saga voll mit verrückten und mehr als nur ein bisschen gefährlich aussehenden Actionszenen. Besonders eine 15-minütige Sequenz, die nach 78 Drehtagen und 200 Stuntleuten verlangte, ist atemberaubend. Die Gegner springen hier nicht nur einfach auf den War-Rig, sondern greifen diesen auch mit Gleitschirmen an.
Es handelt sich übrigens um einen anderen War-Rig als jener, der Charlize Theron durch die Wüste trieb. Doch da der Name der gleiche ist, ist der Wiedererkennungswert gegeben. Miller macht jedoch nicht wie das im Titel ähnlich klingende Star-Wars-Abenteuer Solo: A Star Wars Story den Fehler und erklärt noch so jedes Detail aus dem vorherigen Film zu Tode. Denn Furiosa: A Mad Max Saga will nicht ein Sammelsurium an Fun Facts und Verweisen sein. Der Film erzählt eine in fünf Kapiteln aufgeteilte Geschichte, die auf eigenen Füssen steht und ohne Vorwissen funktioniert, wobei Fans aber gleichzeitig eine vertiefte Charakterzeichnung der ihnen bereits bekannten Figur erhalten.
Anya Taylor-Joy überzeugt dabei als Furiosa, auch wenn sie letzten Endes nicht an die Performance von Charlize Theron herankommt. Dies hat jedoch vor allem damit zu tun, dass in der ersten Stunde Furiosas tragische Kindheit gezeigt wird und wir den The Queen's Gambit-Star erst danach zu sehen bekommen. Anschliessend ist sie mehr mit Action als mit grossen Charaktermomenten beschäftigt. Im ganzen Film hat die Schauspielerin gefühlt gerade mal 30 Sätze. So sind es besonders Taylor-Joys markante Augen, welche die Furchtlosigkeit ihres Charakters glaubhaft machen. Chris Hemsworth auf der anderen Seite spielt den durchtriebenen, Hass predigenden, von seiner Vergangenheit gequälten Schurken mit viel Gusto und leichtem Overacting.
Furiosa: A Mad Max Saga ist aber nicht nur einfach der Kampf zwischen Furiosa und Dementus, sondern auch ein Kampf zwischen Hoffnung und Hass. Die Frage, wer und was triumphieren wird, treibt diesen perfekt getunten irren Ritt an, wobei wegen der Länge zwischendurch schon etwas Sand im Getriebe ist. Am besten fährt man (no pun intended), indem man nicht «Fury Road 2» erwartet, sondern eine breit angelegte, deftige und adrenalingefüllte Legendenbildung. Und dieser gewählte Weg macht auch Miller noch mehr zur Legende.