Despicable Me 4 ist «birreweich». Was als Beleidigung aufgefasst werden könnte, ist in diesem Fall eher ein Kompliment. Denn wie die beiden Regisseure Chris Renaud und Patrick Delage sowie die Drehbuchautoren Mike White (White Lotus) und Ken Daurio auf die Normen des Geschichtenerzählens pfeifen, ist fast schon bewundernswert.
Alleine die schiere Anzahl an Subplots ist wild. Gut die Hälfte von diesen haben für den Ausgang der Verbrecher-will-sich-rächen-Handlung einen Einfluss von Nullkommanix. Ein Minion als Tennis-Stuhlschiedsrichter? Agnes und Edith beim Karate? Lucy als Coiffeuse, wegen deren katastrophaler Arbeit Brad Fiedels Score von Terminator 2: Judgment Day ertönt? Das alles und noch viel mehr gibt es in Despicable Me 4! Eine gewisse Episodenhaftigkeit hatten zwar auch die vorherigen Despicable Me- und Minions-Filme, doch hier wird es regelrecht auf die Spitze getrieben. Konsequenzen hat das wenigste, Hauptsache es kann gelacht werden. Zuweilen erinnert dies an alte Looney-Tunes-Cartoons, von denen Chris Renaud auch zugibt, dass sie eine Inspirationsquelle waren.
Herausstechen tun dabei natürlich wieder die Auftritte der Hauptverkaufsargumente der Franchise: die Minions. Indem der Grossteil von ihnen von Gru und seiner Familie getrennt ist, kann der Film immer wieder zu ihrem chaotischen Treiben innerhalb der Anti-Villain League schalten. Die Verwandlung von fünf von ihnen zu Mega Minions, die dann als «Fantastic Five» Menschen in Not zur Hilfe eilen, ist natürlich eine nicht sehr subtile Verballhornung des Superheldengenres, wobei unter anderem die legendäre Zugsszene aus Spider-Man 2 parodiert wird.
So emotional wie jene Sequenz in dem Sam-Raimi-Klassiker ist Despicable Me 4 natürlich nicht. Durch die Sprunghaftigkeit gibt es keine Verschnaufpausen für tiefergehende Dramatik oder das Ausmalen von Charakterbeweggründen, wie dies bei der Konkurrenz von DreamWorks und Pixar jeweils der Fall ist. Auch wird hier erschreckend wenig aus dem Undercover-Setting gemacht - da holte das Team hinter den Simpsons - äääh, wir meinen natürlich den Thompsons-, in ihrer Cape Fear-Parodie «Cape Feare» trotz kürzerer Laufzeit deutlich mehr raus. Auch dass der von einem unterfordert wirkenden Will Ferrell gesprochene Bösewicht mit Kakerlaken zusammenarbeitet, wird nie richtig genutzt.
Stattdessen wird durchgehend Vollgas gegeben, wobei nicht mal Zeit bleibt, einen der gefühlt zwei Dutzend Popsongs (von Elton John und Dua Lipa über Raid Said Fred bis zu Culture Club) länger als 20 Sekunden laufen zu lassen. Diese sehr ADHS-ige Art des Erzählens ist halsbrecherisch und lässt ausser Lachen nicht viel anderes zu - wenn man denn auf den Gaga-Humor der Reihe steht. Am besten lässt man sich einfach von dieser Witz-Flut mitreissen und geniesst so kurzweilige und rasante 90 Minuten - ohne dass davon wirklich viel ins Langzeitgedächtnis rüberwandert.