Blue Sun Palace (2024)

Blue Sun Palace (2024)

  1. 116 Minuten

Filmkritik: Men Buying Female Attention - The Movie

Und natürlich muss es auch noch von der Decke tropfen.
Und natürlich muss es auch noch von der Decke tropfen. © Field Trip Media

Didi (Haipeng Xu) ist Hals über Kopf verknallt: Sie und Cheung (Kang-sheng Lee) haben sich erst gerade kennengelernt, träumen aber schon von einem Haus am Strand und einem Hund. Nach der ersten gemeinsamen Nacht gehen beide ihrem Alltag nach: Sonnenschein Didi öffnet den Massagesalon, den sie mit ihren Freundinnen führt.

Sad boy hours.
Sad boy hours. © Field Trip Media

Die vier chinesischen Migrantinnen lassen an ihrem Arbeitsplatz, der zugleich auch ihr Zuhause ist, Traditionen hochleben: Sie kochen, lachen, arbeiten und feiern zusammen. Von aussen scheinen die Frauen ein leichtes Leben mit viel Spass zu führen, doch ihre Arbeit verlangt ihnen einiges ab. So scheint das «No sexual services»-Schild an der Eingangstür eher ein Alibi zu sein. Nach einer einschneidenden Tragödie fällt es den Masseurinnen noch schwerer, sich in ihrem Alltag weit weg von ihrem Heimatland zurechtzufinden.

So simpel erreicht ein Film Schönheit und Ästhetik: Ein paar gut platzierte Sonnenstrahlen hier, eine Nahaufnahme aufs Gesicht da - das reicht schon, um den Streifen zu einer Wohltat für die Augen zu machen. Doch nicht nur visuell gibt Blue Sun Palace etwas her, auch die Story und die Figuren lassen sich durchaus sehen. Wären da nur nicht die Vorhersehbarkeit und das langsame Erzähltempo.

Constance Tsang hat bei ein paar Kurzfilmen Regie geführt, doch Blue Sun Palace ist ihr erster Spielfilm. Und dieser lässt sich durchaus sehen: Der Alltag von Migrantinnen und Migranten bekommt nicht häufig Aufmerksamkeit auf der Leinwand. Und dies, obwohl ihre Geschichten allemal eine Erzählung wert sind. Mit ihrem Streifen setzt Tsang die Migrationsgeschichte der Figuren nicht übertrieben in Szene, sondern bleibt für Zuschauende aller Herkunft nahbar. Und doch sind die Einsamkeit und das «Sich-Fremd-Fühlen» spürbar, das die Chinesinnen und Chinesen im Film erleben.

Weiter beleuchtet Blue Sun Palace die altbekannte Machtdynamik zwischen Männern und Frauen auf interessante Art und Weise: Kaum ein Mann im Film erhält weibliche Zuneigung umsonst. Den Preis bezahlen dennoch die Frauen: Sei es durch Nötigung, körperliche Gewalt - oder indem sie zu spüren bekommen, dass sie nicht als vollständige Person, sondern nur als eine «weitere Frau» wahrgenommen werden.

Die Entwicklung des vermeintlichen «Nice guy» Cheung zeigt dies wunderbar auf: Wieso er sein Geld lieber für die Frauen aus dem Massagesalon und nicht für seine entfremdete Frau und Tochter ausgibt, bleibt nur zu erahnen. Dass er sich nicht schämt, den Frauen in seinem Leben immer weitere Lügen aufzutischen, solange diese tun, was er will - wahlweise ihm Zuneigung zu geben oder ihn einfach in Ruhe zu lassen -, macht ihn nicht wirklich liebenswerter.

Obwohl die Wendungen in Blue Sun Palace voraussehbar sind, wird der Film nicht langweilig - was die Zuschauenden vor allem der Perfomance von Ke-Xi Wu als Amy zu verdanken haben. Die junge Frau macht ihre Gefühlswelt durch Mimik und Gestik spürbar, die durch die Kameraführung perfekt in Szene gesetzt werden. Und dies, ohne dass sie dabei ihre Verschlossenheit opfert. Ob die Geschichte aber knapp zwei Stunden braucht, um erzählt zu werden, sei dahingestellt - manchmal wäre weniger eben doch mehr.

Nora Nater [nat]

Nora sitzt regelmässig heulend vor der Leinwand, denn sie ist nah am Wasser gebaut. Auf ihre Watchlist kommen deshalb alle Filme, die sie irgendwie berühren - von Horror- und Actionfilmen hält sie sich aber ebenso fern wie von Blockbustern, sie ist nämlich «not like other girls».

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