Claudia Andujar sitzt vor der Kamera. Sie ist hellwach, präsent. Doch wenn sie von ihrer Vergangenheit erzählt, die von Verlust, Verfolgung und Flucht geprägt ist, dann tut sie das fast schulterzuckend. So, als würde sie «es war jetzt halt nun mal so» sagen wollen. Mit einer scheinbaren Gleichgültigkeit gegenüber dem Schrecklichen, wie das häufig von nur sehr betagten Menschen zu erleben ist. Dass Andujar jedoch ein «es ist nun mal so» niemals als Rechtfertigung für Ungerechtigkeit zählen lassen würde, ist spätestens nach dem Film allen Zuschauenden glasklar.
Andujar fing die Yanomami mit ihrer Kamera auf alle möglichen Arten ein. Sei dies nun in Schwarz-Weiss, bunt, klassisch oder experimentell, gestochen scharf oder bis zur Unkenntlichkeit verschwommen. Sie fotografierte die Yanomami bei Ritualen oder beim Schwimmen, beim Essen und beim Jagen, nackt oder spärlich bekleidet, in schönen und in hässlichen Momenten. Andujars Werke kommen in diesem Film nicht zu kurz, wird das Publikum doch immer wieder mit ausgiebigen Montagen der Fotografien verwöhnt, stets untermalt mit passender Musik.
Man mag sich nun fragen, ob das nicht langweilig wird. Keineswegs, denn man kann sich nach dem Film kaum entscheiden, was mehr berührte: die Fotos oder die bewegten Bilder. Denn Heidi Specogna schafft es, das Publikum sanft, ja fast zärtlich an die Geschichte zu führen, die grausamer kaum sein könnte. Sie tut dies nicht, indem sie den Zuschauenden erlaubt, die Augen vor der Realität zu verschliessen; ihre Kamera fängt die Bilder nüchtern ein, ohne unnötig zu dramatisieren. Und erlaubt ihren Protagonisten damit, ihre Wirklichkeit auf ruhige Art zu erzählen, was sie noch zugänglicher macht.
Der Film behandelt die Bedrohung der indigenen Völker im Amazonasgebiet. Deshalb sehen wir, wie Yanomami an durch Weisse eingeschleppte Krankheiten sterben, oder direkt von Menschenhand ermordet werden. Die Trauer des Volkes ist kaum ertragbar; die Schreie und das Weinen gehen durch Mark und Bein. Beim Anblick der Leichen, die es nur gibt, weil andere Menschen nach mehr Geld trachten und Strassen im Amazonas bauen wollen, möchte man am liebsten ins Bild steigen und Seite an Seite mit den Yanomami und Andujar für Gerechtigkeit kämpfen.
Die Vision der Claudia Andujar folgt einem klaren Aufbau und ist einfach verständlich. Durch die diversen Fotomontagen sowie das Einbinden verschiedener Personen rund um die titelgebende Protagonistin bleibt der Film abwechslungsreich und verliert den Roten Faden nie, schlägt sogar zum Abschluss einen schönen Bogen zum Anfang. Jedoch ist allen Zuschauenden klar, dass der von Claudia Andujar angestossene Kampf noch sehr, sehr lange nicht vorbei sein wird.