Wenn Steven Spielberg mit einem Filmstoff in Verbindung gebracht wird, heisst das normalerweise etwas. Der berühmte Fall des Edgardo Mortara hätte ursprünglich schon 2017 vom berühmten Regisseur verfilmt werden sollen, ist dann aber auf die lange Bank geschoben wurden und soll laut aktuellem Stand 2026 in die Kinos kommen - wenn überhaupt.
«Lieber Spatz in der Hand als Taube auf dem Dach», scheint da der Italiener Marco Bellochhio gedacht zu haben und hat dieselbe Geschichte kurzerhand selbst umgesetzt. Doch leider krankt seine Verfilmung an allen Ecken und Enden. So ist sie furchtbar unfokussiert. Von Beginn weg ist nicht klar, welche Figur in diesem Film denn nun im Zentrum steht. Ist es - naheliegenderweise - der Entführte selbst, Edgardo Mortara? Sind es dessen Eltern, die um seine Rückkehr kämpfen? Oder ist es der Papst Pius IX, für den sich der Fall immer mehr zum Desaster entwickelt?
Bellocchios Antwort: Ja. Hauptfiguren sind alle und gleichzeitig niemand richtig. Dementsprechend wirr sind die Erzählweise und der Ton des Filmes; und damit ist auch die Musik gemeint. Diese kommt in einigen Szenen übermässig dramatisch-traurig wie in einer Liebesschnulze daher, dann wieder kreischend dissonant, wodurch sich der Film teilweise wie ein Psychothriller anfühlt. Dieser Mix an Stilelementen muss nicht per se schlecht sein, doch sind sie unsauber zusammengefügt, dass es von Seiten des Publikums schwer ist, einen Zugang zu der Geschichte zu finden.
Natürlich ist Rapito auch eine kritische Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche. Denn mit diesem Entführungsfall hat sich diese nicht mit Ruhm bekleckert - vorsichtig ausgedrückt. Weniger vorsichtig ausgedrückt: Sie hat damit ein Verbrechen begangen. Eine Steilvorlage für Atheistinnen und Kirchengegner. Doch verpufft die berechtigte Kritik irgendwo in diesem inszenatorischen Chrüsimüsi.
Positiv herauszuheben ist wenigstens Paolo Pierobon in der Rolle von Papst Pius IX. Wohl nicht ganz zufällig optisch ein wenig an den kürzlich verstorbenen Papst Benedikt XVI. erinnernd, verkörpert er seine Rolle als charismatisches, aber auch selbstgerechtes Kirchenoberhaupt, das langsam seine Felle davonschwimmen sieht. Schade, muss er sich durch einen solch fahrigen Film kämpfen. Vielleicht wird ja Steven Spielberg auf ihn aufmerksam, sollte dessen Projekt dereinst wieder aus der Versenkung auftauchen. Verdient hätte er es, und als Papst Pius wäre der Italiener sicher glaubwürdiger als Mark Rylance, der diese Rolle offenbar in der Ami-Version spielen soll.