Filmkritik: Kein Griff ins Klo
76e Festival de Cannes 2023
Der langsam in die Jahre kommende Hirayama (Koji Yakusho) wohnt in Tokio. Sein Tagesablauf ist stets gleichbleibend und dadurch perfekt routiniert: Nach dem Aufstehen wird der Fouton fein säuberlich zusammengefaltet und mit der Decke zusammen versorgt. Anschliessend werden die Bonsai-Sprösslinge benetzt und die Zähne geputzt, ehe Hirayama sich anzieht und den blauen Overall für seine Arbeit überstreift. Nachdem er die Treppe heruntergegangen ist, sammelt er auf der Ablage seine Schlüssel, seine Analogkamera und die Münzen für den Getränkeautomaten ein, holt sich einen Dosenkaffee und wählt im Auto seine Kassette für den Arbeitsweg aus.
Bei seiner Arbeit sitzt jeder Handgriff perfekt. Mit viel Hingabe reinigt Hirayama die Türgriffe, sammelt den Abfall in den architektonisch wunderbaren Toilettenhäuschen von Tokio ein oder überprüft mit dem kleinen Teleskopspiegel, ob seine Toiletten auch wirklich sauber geworden sind. Hirayama ist ein Gewohnheitstier: Seine Nudeln isst er jeden Abend im selben Imbiss, seine Wäsche wäscht er immer sonntags im örtlichen Waschsalon, und im selben Buchladen kauft er sich jeweils ein Buch, das er anschliessend liest. Bis eines Tages unverhofft seine Nichte Niko vor seiner Türe steht und ihn um eine Übernachtungsmöglichkeit bittet. Nach und nach kommt es zu kleinen Begegnungen, die den Alltag von Hirayama verändern.