Napoleon (2023)

Napoleon (2023)

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  3. 158 Minuten

Filmkritik: A Song of Ice and Fire

Eiskalter Taktiker
Eiskalter Taktiker © 2023 Apple Inc. All rights reserved.

Frankreich, Ende des 18. Jahrhunderts: Während der französischen Revolution macht sich der auf Korsika geborene Napoleon Bonaparte (Joaquin Phoenix) einen Namen als geschickter Taktiker auf dem Schlachtfeld. Nachdem er die von aufständischen Revolutionären und Royalisten gehaltene Stadt Toulon zurückerobert, beginnt für ihn ein kometenhafter Aufstieg. Er gewinnt in den Folgejahren immer mehr an Macht - und findet in Joséphine de Beauharnais (Vanessa Kirby) die Liebe seines Lebens.

«Here Comes the Boom!»
«Here Comes the Boom!» © 2023 Apple Inc. All rights reserved.

Doch obwohl es Napoleon gelingt, viele militärische Erfolge zu erringen, wird die Ehe mit Joséphine je länger denn mehr zur einschneidenden Obsession. Als Napoleon schliesslich Kaiser von Frankreich wird, wird die kinderlose Ehe zum Problem, da das Paar trotz vieler Versuche keinen Thronfolger präsentieren kann. Und auch auf den Schlachtfeldern erleidet Napoleon vermehrt schmerzhafte Niederlagen.

Napoleons letzte Worte sollen angeblich «Frankreich, Armee, Joséphine» gewesen sein. Regisseur Ridley Scott und Drehbuchautor David Scarpa bauten ihren Film um diese Worte, wobei ihnen ein mitreissendes Epos gelungen ist, das nicht mit Schauwerten geizt. Besonders die Schlacht bei Austerlitz auf einem gefrorenen See ist schlicht atemberaubend inszeniert und sollte auf der grösstmöglichen Leinwand gesehen werden.

Wofür ist Napoleon Bonaparte bekannt? Sicher für seine Feldzüge wie auch dafür, dass er nicht eine allzu grosse Körpergrösse gehabt haben soll. Letzteres hat zwar seinen Ursprung in einem Umrechnungsfehler, doch bringt man seither den angeblichen «Napoleon-Komplex» nicht mehr aus den Köpfen. Für das Biopic über den französischen Kaiser ist Ridley Scott nun beidem gerecht geworden: Zum einen hat er gleich drei epische Schlachtszenen auf spektakuläre Weise auf die Leinwand gewuchtet, und zum anderen zeigt er Bonaparte als einen kleinen Mann.

Gemeint ist dabei nicht unbedingt die Körpergrösse - Joaquin Phoenix ist vier Zentimeter grösser als die zu dieser Zeit vergleichsweise grossen 1,69 Meter von Bonaparte -, sondern sein Verhalten in Liebesdingen. Scott und Drehbuchautor David Scarpa zeichnen zwar ein Genie auf dem Schlachtfeld, das sich aber abseits davon sehr tapsig bewegt und verhält. Wie er seiner späteren Gattin bei ihrem ersten Treffen zuerst verstohlen Blicke zuwirft und sie dann mit seiner Uniform zu imponieren versucht, hat was von einem schüchternen Jungen, der zum ersten Mal mit seinem heimlichen Schulschatz spricht. Phoenix und Joséphine-Darstellerin Vanessa Kirby holen da einiges an Humor heraus.

Zur Lachfigur verkommt Napoleon aber nicht. Viel mehr zeigt der Film einen ziemlich widersprüchlichen Mann, was ja auch eine grosse Stärke von Christopher Nolans Oppenheimer war. Diese Vermenschlichung ist auch bitter nötig, da das Epos die Kindheit des späteren Herrschers komplett ausspart und es so zu Beginn schwierig ist, sich mit ihm einigermassen anzufreunden. Man könnte Scotts Film dabei fast als ein Sequel zum Klassiker von 1927 bezeichnen, da der Stummfilm von Abel Gance fast dort aufhört, wo dieses Epos beginnt - die Schlacht von Toulon kommt jedoch in beiden Werken vor.

Mit dieser Schlacht legt Scott auch gleich los. Wie man es vom Regisseur von Gladiator erwarten durfte, hat auch Napoleon ein paar blutige Details, die aber nicht abstossen, sondern dem Ganzen zusätzliche Wucht verleihen. Die ganz grossen Action-Highlights kommen aber später. Die Schlachten bei Austerlitz und Waterloo gehören zu den eindrücklichsten Szenen des Kinojahres. Das Produktionsbudget von 200 Millionen Dollar, das Apple zur Verfügung stellte, ist nicht nur da sichtbar, sondern auch in der Ausstattung in den Dialogszenen.

Historisch akkurat ist besonders die auf einem gefrorenen See feurig ausgetragene Austerlitz-Sequenz nicht wirklich. Darauf angesprochen, entgegnete Scott kürzlich, dass es das Ziel gewesen sei, einen unterhaltsamen Film zu schaffen - dazu gehört auch, dass alle Englisch sprechen, was nie verwirrend wird, obwohl auch Briten mitwirken. Die Rechnung geht auf: Napoleon ist mitreissendes Unterhaltungskino, das einen launischen, unberechenbaren und zuweilen auch ziemlich labilen Herrscher porträtiert und so auch perfekt die Zerbrechlichkeit von Frankreich nach der Revolution wiedergibt. Scott hat das Ganze in gerade einmal 62 Tagen abgedreht. Genauso, wie er am Set keine Zeit vergeudet hat, tut er dies auch nicht in den rappelvollen 158 Minuten. Vive Ridley Scott!

Chris Schelb [crs]

Chris arbeitet seit 2008 für OutNow und leitet die Redaktion seit 2011. Seit er als Kind in einen Kessel voller Videokassetten gefallen ist, schaut er sich mit viel Begeisterung alles Mögliche an, wobei es ihm die Filmfestivals in Cannes und Toronto besonders angetan haben.

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Kommentare Total: 5

goe

Schlachten inkl. Sounddesign gut umgesetzt. Den Film hätte man gut und gerne 30 Minuten kürzen können. Zudem hätte man den Filmtitel auf «Josephine und ihr Lover» ändern sollen. Oder dann macht man einen Film über sein ganzes Leben im Nolan-Stil. Dann darf der Film auch 3 Stunden dauern. Da waren meine Erwartungen an Napoleon deutlich zu hoch.

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Wie in gewohnter Scott Manier opulent inszeniert. Die Schlachtszenen sind top und Joaquin Phoenix ist die ideal Besetzung für Napoleon. Jedoch wirkt der Stoff nicht verfilmbar. Als Zuschauer fehlt der Zugang zur Geschichte. Die vielen wichtigen Ereignisse im Leben des kleinen Generals werden zu schnell abgespult. Eigentlich könnte man auch eine 3 oder 4 teilige Dokumentation zu Napoleon schauen. Dann würde man auch besser verstehen wie die Person tickt. Trotzdem, unterhaltsam ist das Teil allemal und auf der grossen Leinwänden zum schauen lohnenswert.

muri

Eigentlich schräg, wenn man bei einem 150 Minüter am Ende das Gefühl hat, es sei zwischendurch ein «bisschen schnell» gegangen. Und trotzdem, einzelne Passagen werden regelrecht abgespuhlt und schon ist der Mann General und Kaiser. Da fehlen Informationen, während sich Regisseur Scott bei den Schlachten natürlich herrlich austoben konnte. Russland und Waterloo sind sehr imposant umgesetzt.

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