In The Mother of All Lies begibt sich Asmae Elmoudir auf die Suche nach ihren eigenen Wurzeln. Dabei arbeitet sie lange totgeschwiegene Themen und Ereignisse ihres Heimatlandes auf, die wie Geister der Vergangenheit über den Existenzen der marokkanischen Bevölkerung schwebten. Bis zurück in die 1980er-Jahre führt sie ihre Reise, an die Anfänge der Brot-Revolution in Casablanca im Jahre 1981, als Proteste gegen stark angestiegene Lebensmittelpreise gewaltsam und unter Inkaufnahme vieler Todesopfer niedergeschlagen wurden.
Der Dokumentarfilm umfasst verschiedene Ebenen und Stile: In realverfilmten Szenen sieht man die Regisseurin und ihren Vater beim Bauen und Erstellen der Modelle. Wie Puppenhäuser kneten sie diese aus Lehm und stellen die Gebäude bis ins kleinste Detail realitätsgetreu nach, möblieren diese und statten sie mit Einzelheiten aus - inklusive den Fassaden und den in den Wohnungen aufgehängten Bildern. Diese Modelle und Puppen dienen den Charakteren später dazu, die Erlebnisse nachzuspielen, sie Revue passieren zu lassen und die Geheimnisse und Lügen aufzuklären.
Dabei stechen primär die wunderschönen Kulissen der Mini-Welt ins Auge, die mit Lichtern und sämtlichen Familienmitgliedern im Kleinformat ausgestattet sind und so zum Hauptschauort des Filmes werden. Die darin gespielten Szenen mitsamt dem historischen Kontext, der tragischen Familiengeschichte, erschliessen sich dem Publikum erst nach und nach. Langsam öffnen sich die Menschen und teilen ihre Schicksalsschläge mit uns Zuschauenden.
Was dem Film jedoch fehlt, ist die Konstanz. Immer wieder finden Wechsel zwischen realverfilmten Szenen und den Puppenspielen statt, was die Geschwindigkeit im Erzähltempo beeinträchtigt und holprig wirkt. Dabei bleibt die Kamera erstaunlich oft auf dem Familienoberhaupt und der Hauptgeheimnishüterin hängen: der Grossmutter. Diese trumpft mit kurrligen Reaktionen auf, nimmt aber sehr lange keinen Einfluss auf die Geschichte und die Auflösung der Geheimnisse. Die kontextuelle Einbettung der Ereignisse fällt nicht ganz leicht, denn es werden unterschiedliche Tragödien erzählt, die Hintergründe zu der Revolution wird jedoch nur angeschnitten.
The Mother of All Lies ist eine Reise in die eigene Vergangenheit, jedoch ebenfalls eine historische Aufarbeitung von Geschehnissen, die interessante Stilmittel zu unebenmässig verwendet und so die ganz grossen Emotionen ausbremst.