Die Mittagsfrau (2023)

Die Mittagsfrau (2023)

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  3. 136 Minuten

Filmkritik: Blind am Herzen

Fack Ju, Nazi!
Fack Ju, Nazi! © Ascot Elite Entertainment Group. All Rights Reserved.

Die in Bautzen aufgewachsene junge Helene (Mala Emde) kommt mit ihrer Schwester Martha (Liliane Amuat) in das aufregende Berlin der wilden 1920er-Jahre. Während Martha sich regelrecht in das Partyleben stürzt, hat Helene höhere Ambitionen: Sie möchte in der Grossstadt Medizin studieren und Ärztin werden. Sie findet schnell eine Stelle in einer Apotheke und trifft dort eines Abends den hübschen Carl (Thomas Prenn), mit dem sie wenig später eine Beziehung eingeht.

Früher war alles besser.
Früher war alles besser. © Ascot Elite Entertainment Group. All Rights Reserved.

Doch ihr Glück ist nicht von langer Dauer. Carl stirbt, woraufhin Helene in eine tiefe Depression fällt. Als die Nationalsozialisten Anfang der 1930er an die Macht kommen, bringt dies Helene als Tochter einer Jüdin in eine schwierige Lage. Um eine Chance zu haben, geht sie eine Ehe mit dem Ingenieur Wilhelm (Max von der Groeben) ein, der ihr dank seiner Kontakte einen neuen Namen und falsche Papiere besorgen kann. Doch weil Wilhelm mit den Nationalsozialisten sympathisiert, wird Helenes Leben mehr und mehr zur Hölle.

Die Adaption des Bestsellers «Die Mittagsfrau» setzt fast schon Vorwissen der Romanvorlage voraus. Zu viel wird einfach ausgelassen und nicht näher erklärt, sodass das Publikum sich irgendwann im Regen stehengelassen fühlt und der Film fast nur durch die starke Performance von Mala Emde etwas zu berühren weiss. Es wäre eigentlich alles da für einen berührenden und aufwühlenden Film, doch kommen die Emotionen nicht an.

Buchverfilmungen sind oft ein schwieriges Unterfangen. Besonders wegen der Länge von gewissen Bestsellern stellt sich für die Filmadation dann oft die Frage, welche Dinge man verdichtet oder gleich weglässt, damit die Laufzeit nicht auf über vier Stunden anwächst. Wie die Leinwandumsetzung von Julia Francks Die Mittagsfrau zeigt, kann dabei auch zu rigoros vorgegangen werden, sodass sich dann jene Zuschauende, welche das Buch nicht gelesen haben, schnell mal alleine gelassen fühlen.

Gleich zu Beginn wirft uns die Geschichte einfach mal rein in einen Familienalltag, wobei etwas Hintergrundwissen sicher hilfreich gewesen wäre. Doch der Film nimmt sich dafür nicht die Zeit, sondern peitscht stattdessen die Handlung voran, sodass wir dann mit Helene im Berlin der 1920er landen, wo es - dank der Schweizer Produktionsbeteiligung - nicht nur den Oltener Dimitri Stapfer und den Basler Sven Schelker in kleinen Rollen zu sehen gibt, sondern auch viel zu viele Tanzszenen. Nach ein paar weiteren Handlungsabkürzungen sind wir dann mittendrin in einem Ehealltag voller Vernachlässigung und häuslicher Gewalt.

Das ist harter Tobak, und immer, wenn man denkt, dass Helene nun vom Regen in die Traufe gekommen sei, kommt es danach noch eine Spur schlimmer. Das Problem ist jedoch, dass wir trotz des beherzten Aufspielens von Hauptdarstellerin Mala Emde den Figuren nicht wirklich näherkommen. Grund dafür sind die schwachen Dialoge, viele Löcher in der Story sowie ein grässliches Bildrauschen in Flashbacks. So entsteht auch kein Erzählfluss und der Film wird immer länger und länger.

Die geistige Abwesenheit von Helenes Mutter wird einmal mit den Worten «blind am Herzen» erklärt. An etwas Ähnlichem leidet zuweilen auch der Film. Auch dieser besitzt theoretisch die richtigen Bausteine, doch kann er die Emotionen nicht überzeugend ausdrücken. Es würde nicht überraschen, wenn mal im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen (das ZDF hat mitproduziert) eine 4-Stunden-TV-Fassung ausgestrahlt würde. Denn trotz der Laufzeit von 136 Minuten erinnert die Kinoversion eher an eine Rumpffassung. Dieser Film ist wirklich nur für jene, die das Buch gelesen haben.

Chris Schelb [crs]

Chris arbeitet seit 2008 für OutNow und leitet die Redaktion seit 2011. Seit er als Kind in einen Kessel voller Videokassetten gefallen ist, schaut er sich mit viel Begeisterung alles Mögliche an, wobei es ihm die Filmfestivals in Cannes und Toronto besonders angetan haben.

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Kommentare Total: 2

CineMani

Yup, der Film ist ein Durchhaltestück mit viel Leerlauf und nur vereinzelten wirklich packenden Szenen. Die Disney+ - Serie «Deutsches Haus» beweist aktuell gerade, wie die Streaming-Welt dem heutigen Kino um Längen voraus ist: nicht nur dramatisch, sondern auch in fast allen restlichen Belangen.

crs

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