Die Tatsache, wie unvorsichtig viele von uns im World Wide Web unterwegs sind, spielt einem Film wie Missing glorios in die Hände. Denn wenn nur eine wichtige Person in dem Thriller eine Multi-Faktor-Authentifizierung eingerichtet hätte, würden die Ermittlungen von Teenager June ziemlich sicher und schnell zum Stillstand kommen. Da dies jedoch nicht der Fall ist, wird fröhlich/verzweifelt in fremde Google-Konten eingeloggt, als wäre es das einfachste der Welt - IT-Sicherheitsexpert:innen sollten Beruhigungstabletten griffbereit haben.
Missing ist der Nachfolger des Überraschungs-Hits Searching, der aber von der Handlung her nichts mit dem Vorgänger zu tun hat. Mit dem Konzept, dass sich eine ganze Handlung an Bildschirmen (Laptops, Smartphones und mehr) abspielt, wird hier eine neue Geschichte erzählt. Dabei fällt auf, wie deutlich rasanter es hier zu und her geht. Denn im Gegensatz zu John Chos Vater im ersten Teil klickt sich hier mit Storm Reids June eine durchs Netz, die damit aufgewachsen ist, und so viel schneller zwischen Apps und Portalen hin- und herwechselt und so zügiger vorwärtszukommen scheint - sich aber auch in mehr Sackgassen manövriert. Reid spielt den auf seiner Suche immer mehr verzweifelnden Teenager stark.
Wie schon Searching hält einem dabei auch Missing einen Spiegel vor, wie wir uns im Netz bewegen und was wir dort von uns preisgeben. Der Film der beim ersten Teil am Schnitt beteiligten Regisseure Nicholas D. Johnson und Will Merrick, die mit Sev Ohanian auch am Drehbuch mitgeschrieben haben, gefällt da besonders auch aufgrund einer genauen Beobachtungsgabe, ohne jedoch zu moralisierend rüberzukommen. Auch der Tatsache, dass wir gerne auch mal einen Anruf absichtlich ignorieren, wird hier Rechnung getragen und als Spannungsschraube verwendet.
Des Rätsels Lösung ist dabei erneut nur schwer hervorzusehen, was man dem Film durchaus zugutehalten muss. Man kann es jedoch auch so sehen, dass es etwas konstruiert wirkt, was Johnson, Merrick und Ohanian da zusammengeschrieben haben. Aber das Miträtseln macht zuvor einfach zu grossen Spass, sodass man dann auch das etwas abfallende Finale zu verzeihen mag. Ob sich nach diesem Film mehr Leute die Einrichtung der Multi-Faktor-Authentifizierung überlegen, wird sich zeigen.