Nach Mary Poppins Returns wagt sich Rob Marshall bereits zum zweiten Mal an eine Weiterbearbeitung eines Disneyklassikers. Und erneut hat er den Vorteil, mit einem toll gewählten Cast arbeiten zu können. Während Halle Bailey herzig rüberkommt und vor allem mit ihrer wunderbaren Stimme überzeugt, ist Jonah Hauer-King in der Prinzenrolle (hihi!) eine kleine Entdeckung. Mit eigenen Songs und sympathisch unroyalem Auftreten darf er so die etwas undankbare Rolle aus dem Trickfilm weiter ausbauen.
Anstatt die Geschichte getreu der Märchenvorlage von Hans Christian Andersen - die notabene schon der Trickfilm sehr frei bearbeitet hat - in europäischen Gewässern spielen zu lassen, wurden die Filmereignisse in die Karibik versetzt. Prinz Erik, der vom Königspaar eines kleinen Inselstaates adoptiert wurde, ist somit mehr oder weniger die einzige hellhäutige Figur im Cast. Auch Arielles Schwestern decken in Bezug auf ihr Aussehen alle Ecken der Welt ab, was durchaus passend ist, da sie ja unverkennbar für die sieben Weltmeere stehen.
Überraschenderweise zeigt The Little Mermaid im Vergleich zum Trickfilm eine Art verkehrte Welt, denn es ist vor allem die Welt der Menschen, die auf gmögige Weise umgesetzt wurde. Die Szenen auf der Karibikinsel sorgen dank der Musik von Lin-Manuel Miranda (Moana, Hamilton) und dem bunten Mix an Nebenfiguren schnell für Ferienstimmung. Allerdings landen nicht alle der neuen Songs. Beispielsweise können die Rap-Passagen nicht ganz überzeugen, die Miranda für Daveed Diggs und Awkwafina geschrieben hat, die Sprecher hinter Krabbe Sebastian und Basstölpel Scuttle. Überhaupt geht den beiden Figuren viel vom Spassfaktor der Trickfilmversion ab, und auch die Animation lässt - besonders bei Sebastian - einiges zu wünschen übrig.
Die Effekte sind ohnehin so eine Sache bei diesem Film. Zumindest am Anfang sieht die Welt unter Wasser mit ihren farbenfrohen Fischen und Pflanzen richtig gut aus; fast wähnt man sich in einer Dokumentation über das Leben in den Ozeanen. Leider kann der Film diesen Eindruck nicht lange aufrechterhalten. So macht etwa Melissa McCarthy als Meerhexe Ursula ihre Sache zwar ganz ordentlich, wird aber durch die Kamerawinkel und Farbgebung oft seltsam in Szene gesetzt und ist im finalen Kampf auch einfach furchtbar schlecht animiert.
Enttäuschend ist die Unterwasserwelt aber vor allem deshalb, weil sie mit zunehmender Filmdauer immer leerer wirkt. Als hätten Zeit und Budget gefehlt, um eine lebendige Unterwasserzivilisation zu zeigen, hat es neben Arielle und ihrer Familie offenbar nur für eine einzige Szene gereicht, in der auch andere Meermänner und -frauen zu sehen sind (die aber nichts sagen dürfen). Selbst wenn The Little Mermaid an anderer Stelle pflichtbewusst Szenen aus dem Trickfilm rekreiert - besonders auffallend etwa bei der Reprise von «Part of Your World» -, scheint der Film verschiedentlich wie auf Sparflamme zu laufen und bietet damit zwar ordentliche Unterhaltung, kann aber selten wirklich begeistern.