Mit Prequels ist das ja so ein Ding: Oft braucht es sie nicht, weil wir die Geschichte schon kennen und uns die Figuren meist egal sind. The Hunger Games: The Ballad of Songbirds and Snakes macht es sich da mit einem sperrigen Titel und seiner Titelfigur nicht gerade leicht, handelt der Film doch ausgerechnet vom grossen Bösewicht der erfolgreichen Filmreihe mit Jennifer Lawrence. Es gibt so manche Vorgeschichte, die sich Fans der Filme und der Romantrilogie von Suzanne Collins gewünscht hatten - aber die von Präsident Snow?
Tatsächlich erweist sich die Wahl des Protagonisten als goldrichtig, denn dies erlaubt einen spannende Perspektivenwechsel: Waren wir damals sozusagen mitten drin, wenn Katniss und Peeta sich in der Arena durchschlagen mussten, gehen wir nun einen Schritt zurück und betrachten die Hunger Games aus der Sicht der Macher. Und weil die Spiele noch in ihren Anfängen stecken, werden die Regeln fortlaufend angepasst, wird auch über Sinn und Moral der Spiele diskutiert. Hier nimmt sich der Film auch einige Freiheiten gegenüber der 2020 erschienenen Buchvorlage heraus.
Regisseur Francis Lawrence, der mit Ausnahme des ersten Teils bei allen Hunger-Games-Filmen auf dem Regiestuhl sass, schafft es erneut, die düstere Zukunft spannend und mit kompetent umgesetzten Actionsequenzen zu inszenieren. Besonders auffällig ist freilich das Design, das trotz futuristischen Einschlags stark an die 1940er- und 50er-Jahre erinnert.
Neben Viola Davis als durchgeknallte Spielmacherin, Peter Dinklage als miesepetriger Dekan und dem wunderbar clownesken Jason Schwartzman als Moderator Lucky Flickerman setzte man bei den Darstellern vor allem auf neue Gesichter. In die Fussstapfen von Donald Sutherland als fieser Präsident von Panem tritt der britische Newcomer Tom Blyth, der die Rolle des jungen und nicht immer sympathischen Coriolanus Snow mit Bravour meistert. Seine Filmpartnerin Rachel Zegler überzeugt zwar mit einer tollen Stimme, erhält aber etwas zu wenig Screentime. Doch es ist ja ein Film über Snow.
Und hier lauert gleichermassen die Stärke als auch die Schwäche des Filmes. Ballad of Songbirds and Snakes krankt ein bisschen am «Oppenheimer-Syndrom»: Endlich sind die Spiele vorbei und man meint, der Film sei zu Ende, und dann geht's noch eine ganze Weile weiter. Hier wirkt der Film teilweise etwas lang, weiss aber durchaus zu faszinieren, indem er die Entwicklung von Coriolanus Snow vom Schüler zum späteren gnadenlosen Machtmenschen aufgleist. Dabei wirkt die zweite Filmhälfte auch immer wieder unheimlich vertraut, weil das eigentlich auch heute in unserer Welt spielen könnte. Gegen Ende hin nimmt der Film fast schon die Züge eines Gangsterfilmes an, woran freilich auch die historisch angehauchten Kostüme erinnern.
The Hunger Games: The Ballad of Songbirds and Snakes ist ein erneut spannend und kompetent inszenierter Eintrag in die Filmreihe. Dieser schlägt zwar emotional deutlich weniger heftig ein als die ursprüngliche Tetralogie. Vor allem durch die eindringliche Darstellung von Blyth bietet der Film packende Unterhaltung und ist so fast mehr Psychothriller als dystopisches Actionkino.