Hit Man (2023)

Hit Man (2023)

Hit Man - A Killer Romance
  1. ,
  2. 113 Minuten

Filmkritik: Undercover Lover

80. Mostra Internazionale d'Arte Cinematografica 2023
Den Look hab ich beim American Psycho abgeschaut.
Den Look hab ich beim American Psycho abgeschaut. © Brian Roedel

Der Philosophieprofessor Gary Johnson (Glen Powell) hat einen aussergewöhnlichen Nebenjob: Er ist für die Polizei als Abhör- und Funkspezialist bei Undercover-Operationen im Einsatz. Als der langjährige und nicht gerade umgängliche verdeckte Ermittler Jasper (Austin Amelio) für ein halbes Jahr vom Dienst suspendiert wird, ergibt sich für Gary eine aufregende neue Chance: Er soll übergangsweise für den Kollegen einspringen und als «Hit Man» seine Mordauftraggeber bei Verabredungen hinters Licht führen. Was für den friedlichen, liebenswürdigen Gary zunächst unmöglich scheint, erweist sich als absoluter Volltreffer.

Auftragskiller… und Ladykiller
Auftragskiller… und Ladykiller © Courtesy of TIFF

Der Philosophieprofessor weiss, seine Menschenkenntnisse bestens auszuspielen und schlüpft in die verschiedensten Rollen, um die potenziellen Verbrecher um den Finger zu wickeln. Ehe er sich versieht, führt Gary ein Doppelleben. Denn als supercharmanter Ron begegnet er der bezaubernden Madison (Adria Arjona), die ihm auf Anhieb gefällt und für welche er Mitleid empfindet. Statt sie auffliegen zu lassen, redet Ron ihr aus, ihren tyrannischen Ehemann umbringen zu lassen. Doch indem er ihr hilft und sie regelmässig zu treffen beginnt, bringt er sie beide in grosse Gefahr.

Boyhood-Regisseur Richard Linklater gelingt mit seinem neuen Film Hit Man wahrhaftig ein Hit, Mann! Niemand sonst könnte die Geschichte eines (vermeintlichen) Auftragskillers auf derart menschliche Weise darstellen. Seine verrückte Komödie ist lebhaft und mit angenehmer Leichtigkeit erzählt. Nebst flotten Sprüchen enthält das fabelhafte Drehbuch auch schöne philosophische Aussagen bereit, ohne zu kitschig zu wirken. Hauptdarsteller Glen Powell und Adria Arjona harmonieren wunderbar, und Powell dürfte sich mit seiner facettenreichen Interpretation als ernstzunehmender Oscarkandidat bewerben.

Richard Linklater gilt als einer der prägenden Regisseure des amerikanischen Independent-Kinos und hat ein ausgeprägtes Gespür dafür, seine originellen Geschichten auf berührende und humorvolle Weise zu erzählen. Werke wie die «Before»-Trilogie und Boyhood zeugen von ungemeiner Authentizität und Menschlichkeit. Seinen Sinn für Humor und Romantik beweist er auch in Hit Man, dafür wendet er sich aber auch Genre-Eigenschaften zu, die bislang weniger zu seinem Metier gehörten. Bei der Geschichte über einen Auftragskiller fliessen zwangsläufig auch Thriller- und Actionelemente mit ein. Der erfrischend lebhaften und leichtfüssigen Erzählweise vermag Linklater in dem Genremix dennoch treu zu bleiben, was seinen neusten Streich zu einem seiner besten Filme macht.

Hit Man basiert vage auf einer wahren Geschichte, die vom Journalisten Skip Hollandsworth in einem True-Crime Artikel niedergeschrieben wurde. Mit der Idee, diese zu verfilmen, ist kein Geringerer als Hauptdarsteller Glen Powell auf Linklater zugegangen. Damit hat sich Powell, der zuletzt in Top Gun: Maverick mitwirkte, auch selbst einen grossen Gefallen getan. Denn die Rolle des Gary Johnson ist ihm wie auf den Leib geschrieben. Zu Beginn des Films bemerkt Rivale Jasper zu Gary, er habe so ein unauffälliges, langweiliges Gesicht, an das sich niemand erinnern würde. Zugegebenermassen hat er damit nicht ganz unrecht. Aber vielleicht ist es auch genau das, was ihn so leicht in die völlig unterschiedlichen Rollen schlüpfen lässt, die er im Film verkörpert. Powell läuft dabei zu Höchstform auf, insbesondere als charismatischer Ron in den Szenen mit Adria Arjona. Und auch sie gibt eine grossartige Performance ab - ob als verzweifelte Ehefrau in misslicher Lage oder als verführerische, leidenschaftliche Geliebte von Ron.

Ihre Überraschungsmomente hat die Geschichte von Hit Man auch zu einem Grossteil der vielfältigen und ausgeprägten Figurenzeichnung zu verdanken. Alle zentralen Figuren sorgen nicht nur mit ihren Handlungen für Überraschungen, sondern auch mit Charaktereigenschaften, die unerwartet zum Vorschein kommen.

Hoch anzurechnen ist dem Film auch, wie verblüffend gut das Drehbuch funktioniert - nicht nur mit all den witzigen Sprüchen, sondern auch in tiefgründigeren Gesprächen und mit philosophischen Aussagen. Hit Man setzt sich auf clevere und humorvolle Weise mit menschlichen Verhaltensweisen, menschlichem Bewusstsein und Fragen zu Selbstfindung und Identifikation auseinander. Und gleichzeitig packt der Film mit seiner spannungsgeladenen Geschichte wie ein Actionthriller - ein echter Hit, Mann!

Gianluca Izzo [gli]

Gianluca ist seit 2013 als Freelancer für OutNow tätig. Er liebt es, verborgene Perlen an Filmfestivals zu entdecken, insbesondere in Venedig. Neben seinem Faible für italienische und skandinavische Filme bewundert er die Werke von Scorsese, Lynch, Villeneuve und Chazelle sowie die Bond-Klassiker.

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