Farang (2023)

Farang (2023)

Filmkritik: Hals- und Bein- und Arm- und Rippenbruch!

NIFFF 2023
Nicht alles am Strand ist schön - zum Beispiel eine Pistole im Gesicht.
Nicht alles am Strand ist schön - zum Beispiel eine Pistole im Gesicht. © Thanaporn Arkmanon

Samir (Nassim Lyes) flüchtet nach einem gewalttätigen Vorfall aus Frankreich nach Thailand. Dort lebt er Jahre später mit seiner Frau Mia (Loyrn Nounay) und deren Tochter Dara (Chananticha Tang-Kwa) in einem kleinen Fischerdorf. Die kleine Familie hat den Traum, am Strand ein Stück Land zu kaufen und dort eine eigene Karaoke-Bar zu eröffnen. Um sich dies zu ermöglichen, arbeitet Samir für ein Hotel als Gepäcktransporter. Als das Paar die notwendigen Papiere auf die Bank bringt, erfahren die beiden, dass sie jemand überboten hat.

Dieser Jemand ist der Franzose Narong (Olivier Gourmet), der Samir auch gleich ein Angebot macht: Er soll für ihn wenige Gramm Drogen in ein Flugzeug schmuggeln, dann könne er das Stück Land haben. Samir nimmt widerwillig an - und die Aktion geht gehörig schief. Narongs Handlanger wird verletzt und Samir flüchtet. Narong packt sich darauf Mia und Dara und lässt Samir schwer verletzt zurück. Dieser will nun nur noch eins: Rache.

Xavier Gens inszeniert mit Farang einen brachialen Actionthriller mit toll gemachten Kämpfen - zumindest im letzten Drittel. Bis dahin lässt sich der Film etwas zu viel Zeit, unwichtige Figuren zu etablieren und Plottwists aufzusetzen, deren Payoff am Ende die Zeit nicht wert sind. Wenn Hauptdarsteller Nassim Lyes aber loslegt, dann tut die Action richtig weh, und zwar im guten Sinn.

«Farang» beschreibt in Thailand einen Westler, einen Ausländer. Auf die Hauptfigur Samir, die sich sowohl in Frankreich als auch in Thailand nicht wirklich zugehörig zu fühlen scheint, trifft dies gleich doppelt zu. Diese Inszenierung gelingt Regisseur Xavier Gens ganz ordentlich, doch seine Stärken hat der Franzose definitiv in der Action, was er bereits in der TV-Serie Gangs of London von The Raid-Regisseur Gareth Evans unter Beweis gestellt hat.

Dies ist hier nicht anders. Leider heisst das, dass das Publikum zuerst durch Standardkost aus dem Rachegenre muss. Wer nur schon mal das Cover eines Rachethrillers angeschaut hat, weiss, in welche Richtung sich Farang bewegen wird. Ausserdem wird dem Ganzen noch ein Prolog vorangestellt, der sich im Endeffekt als ziemlich müssig herausstellt. Immerhin sind die Darstellerinnen und Darsteller sowie die Inszenierung an sich gut genug, um diesen Block nicht zu träge erscheinen zu lassen.

Denn wer diese relativ ruhige, gelegentlich spannende Stunde auszuhalten vermag, wird mit einem grossartigen finalen Drittel belohnt. Nicht nur wird das Setting immer knalliger und schmieriger, auch die lang ersehnte Action liefert. Diese ist stark performt - sowohl von Hauptdarsteller Nassim Lyes als auch vom umgebenden Stuntteam - und ebenso stark gefilmt. Zwar ist die Kamera stets in Bewegung, aber nie, um schlecht gemachte Action zu verstecken, sondern um gut gemachte Action zu betonen. Dabei wird's gelegentlich auch richtig blutig - teilweise mit fast komödiantischem Effekt, teilweise aber zu zelebrierend, was nicht zur Figur passt.

Wenn Farang sich nicht so lange mit - letztendlich unwichtigen - Charakterzeichnungen aufgehalten und die Action etwas besser verteilt hätte, wäre dies ein kleines Action-Meisterwerk geworden. Nun ist's ein passabler Rachefilm mit einem fulminanten letzten Drittel.

Nicolas Nater [nna]

Nicolas schreibt seit 2013 für OutNow. Er moderiert seit 2017 zusammen mit Marco Albini den OutCast. Ausser für Geisterbahn-Horrorfilme, überlange Dramen und Souls-Games ist er filmisch wie spielerisch für ziemlich alles zu haben. Ihm wird aber regelmässig vorgeworfen, er hätte nichts gesehen.

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