Fast so laut wie die Sirene des Krankenwagens hier heult, kracht Black Flies durch den Bechdel-Test. Die Frauenfiguren in dem Sanitätsdrama des Franzosen Jean-Stéphane Sauvaire (A Prayer Before Dawn) lassen sich in Ex-Frau, Bettgespielin und Drogensüchtige einteilen. Für einen Film aus dem Jahre 2023 ein ziemliches No-Go. Dafür vermittelt der Film sehr realitätsnah, roh und dadurch auch überzeugend ein krasses Bild eines brutalen Arbeitsalltages. Beim Abspann - oder auch schon vorher - realisiert man wieder, wie hohl und nichtsbedeutend die Balkon-Beklatschungen für das Gesundheitspersonal während der Coronapandemie waren.
Denn Black Flies funktioniert auch als Anklage, wie schlecht bezahlt Einsatzkräfte sind - obwohl sie jeden Tag wortwörtlich Leben retten. Sauvaire inszeniert das als zweistündigen Stresstest und Frontalangriff auf die Sinne - vor allem beim Sounddesign, das Erinnerungen an die Safdies-Werke Good Time und Uncut Gems wach werden lässt. Blinkende Farben, krasse Töne und kaputte Menschen sind die Zutaten, die auf Dauer sehr belastend sein können. Aber Sauvaire möchte uns spüren lassen, wie die Sanitäter empfinden und dreht bei der Inszenierung deshalb alle Schalter auf Zwölf.
Subtil ist das nicht. So auch die Tatsache, dass Tye Sheridans junger Sanitäter, an dessen Fersen wir uns heften, eine Jacke mit aufgestickten Engelsflügen trägt. Wie schnell klar wird, ist man in diesem Job aber selten ein Rettungsengel, sondern spielt eher Gott. Die im Film gezeigten Retter sind dermassen psychisch kaputt, dass sie überlegen, ob es sich wirklich lohnt, die Person am Leben zu erhalten, die bei ihnen im Auto liegt.
Leicht verdaulich ist anders. "Wer kein Blut sehen kann, sollte einen grossen Bogen um den Film machen. Es wird geschrien, geblutet, gelitten, gebetet und gestorben. Was das Hauptdarsteller-Duo betrifft, hat das Casting-Departement erstklassige Arbeit geleistet. Sheridan erinnert mit seiner Art und seinem Gesicht an ein Milchbubi, das im Verlaufe immer mehr seine Unschuld verliert. An seiner Seite verkörpert Sean Penn mit seinem zerknautschen Gesicht einen Mann, der schon zu viel gesehen hat. Die beiden tragen den Film auf ihren Schultern und machen einen fabelhaften Job.
Da der Film wie die Protagonisten von Einsatz zu Einsatz eilt, gibt es kaum Verschnaufpausen, sodass keine Langeweile aufkommen kann. Die Symbolik ist jedoch dermassen offensichtlich, dass sie einem regelrecht über den Kopf geschlagen wird. Zum Glück muss man deswegen am Ende keinen Krankenwagen rufen - denn gefühlt man zuvor zwei Stunden lang auf einer cineastischen Intensivstation.