Omen - Augure (2023)

Filmkritik: Witchhouse

76e Festival de Cannes 2023
Because i got high
Because i got high © Studio / Produzent

Koffi (Marc Zinga) und Alice (Lucie Debay) sind in Belgien zuhause. Alice ist schwanger, Koffi bereitet sich mit Sprachkursen in Suaheli auf die bevorstehende Reise in seine Heimat vor. Die beiden sind eingeladen an eine Familienfeier in der Demokratischen Republik Kongo. Dort angekommen, versuchen sie erfolglos Koffis Schwester Tshala (Eliane Umuhire) zu erreichen, welche die beiden eigentlich vom Flughafen abholen wollte. Auch Koffis Vater nimmt sein Telefon nicht ab, so fahren Koffi und Alice auf eigene Faust zum Familiendomizil.

Der Weg dahin mit dem Auto ist beschwerlich, der Empfang kalt und abweisend. So hat Koffis Mutter Mama Mujila (Yves-Marina Gnahoua) für ihren Sohn nicht einmal eine Begrüssung übrig. Der Aufenthalt von Koffi und Alice wird noch wesentlich unerträglicher, als Koffi, das Baby einer Verwandten auf dem Arm haltend, plötzlich Nasenbluten bekommt und das Baby einige Tropfen Blut abbekommt. Schlagartig kehrt die Stimmung und gipfelt in kulturellen Riten und wilden Anschuldigungen, die Koffi und Alice schockiert zurücklassen. In den Strassen treffen derweil zwei rivalisierende Gangs von Jugendlichen aufeinander, die ebenfalls kulturelle Praktiken ausüben und sich der Hexerei beschuldigen. Es entbrennt ein gnadenloser Kampf um Leben und Tod.

Der Regisseur Baloji ist Belgier mit kongolesischen Wurzeln. Sein Film ist ein über lange Strecken nur schwer zugängliches Drama, das die kulturellen Gegebenheiten der Demokratischen Republik Kongo thematisiert. Ohne Hintergrundkenntnisse folgen wir so einer Geschichte, die schwer einzuordnen ist. In seiner Bildsprache gibt Omen dafür einiges her.

Omen zeigt einen Culture-Clash zwischen zwei sehr unterschiedlichen Welten. Auf der einen Seite steht Koffis Leben in Belgien, wo er und seine Frau Alice ein Kind erwarten. Diese Welt zeichnet sich aus durch das gesellschaftlich erwartete Verständnis der Gründung einer Familie und von Strukturen, wie wir sie aus unserem alltäglichen Leben kennen. Dem gegenüber steht die Welt in der Demokratischen Republik Kongo und deren Verständnis des Auslebens der eigenen Kultur, des Familienleben und -zusammenhalts. Ein bei uns unscheinbares Ereignis kann in einer anderen Kultur eine ganz andere Bedeutung haben und komplett Unterschiedliches auslösen.

Aus mitteleuropäischer Sicht bleibt der Film sehr schwer zugänglich. Über die vielen kulturellen Riten und Handlungen ist uns nur wenig bekannt, und Omen unternimmt nur ansatzweise den Versuch, sie uns näherzubringen. Einige Geschehnisse und Reaktionen können erahnt werden, andere bleiben unverständlich. Die rivalisierenden Strassengangs aus Teenagern, die sich mit Masken einschüchtern und dabei ihren ganz eigenen Kleidungsstil pflegen, führen einen Kampf, dessen Ursprung kaum ergründlich wird.

Ebenso unergründlich ist eine Szene, die als direkte Referenz auf das Grimm-Märchen «Hänsel und Gretel» verstanden werden kann. Diese Szene ist optisch sehr stark, kontrastreich und aussagekräftig inszeniert, wie auch die immer wiederkehrenden Paraden mit Musik, farbenfrohen Kostümen und seltsamen Items, die in den Strassen abgehalten werden.

Als zentrales Thema des Films schweben die verschiedenen Anschuldigungen der Hexerei in der Luft. Gleich mehrere Charaktere sehen sich damit konfrontiert, müssen damit umgehen können oder tragen die Konsequenzen. Die erwähnte Hänsel-und-Gretel-Szene gehört ebenfalls dazu. Es geht darum, die Vergangenheit zurückzulassen, die sich durch die Gegenwart zieht und den Menschen dort auflauert. Durchaus spannende Ansätze, die ohne den kulturellen Kontext und Hintergrund nicht ganz einfach zu deuten sind. Zu okkult und unzulänglich werden sie präsentiert.

Die Charaktere machen ihre Entwicklungen gemäss ihren Möglichkeiten durch, doch auch diese sind limitiert und nicht immer nachzuvollziehen. Der innere Konflikt von Koffi, in der er zwischen Abscheu und Hingabe zu seiner eigenen Familie gefangen ist, wird zu wenig stark ausgespielt. So entsteht eine stetig währende Distanz zwischen Film und Publikum, die der Empathie nicht zuträglich ist. Auf der positiven Seite ist hingegen zu erwähnen, dass der Film einen Blick in eine fremde Kultur ermöglicht und diese so ein Stück leichter verständlich macht.

Yannick Bracher [yab]

Yannick ist Freelancer bei OutNow seit Sommer 2015. Er mag (Indie-)Dramen mit Sozialkritik und packende Thriller. Seine Leidenschaft sind Filmfestivals und die grosse Leinwand. Er hantiert phasenweise noch mit einem Super-8-Projektor und lernt die alten Filmklassiker kennen und schätzen.

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