791 KM (2023)

791 KM (2023)

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  2. 103 Minuten

Filmkritik: Eine Taxifahrt, die ist lustig, eine Taxifahrt, die ist schön

«Schau, ich hab im Lotto gewonnen!»
«Schau, ich hab im Lotto gewonnen!» © Praesens Film

Ein heftiges Unwetter wütet in ganz Deutschland und lässt sämtliche Verbindungen der Bahn sowie alle Flüge ausfallen. Ganz zum Unmut von Tiana (Nilam Farooq), die am nächsten Morgen früh eigentlich für ein wichtiges Business-Meeting in Hamburg sein sollte. Etwas lockerer sieht dies ihr Freund Philipp (Ben Münchow), ein Physiotherapeut, der vorschlägt, die Nacht einfach gechillt in München zu verbringen und das Meeting eben per Videochat stattfinden zu lassen. Anstelle eines Fluges erhalten die beiden Taxigutscheine und schlittern in eine Beziehungskrise.

Nicht mal auf dem Scheisshaus hat man seine Ruhe!
Nicht mal auf dem Scheisshaus hat man seine Ruhe! © Praesens Film

In München sitzt auch Marianne (Iris Berben) fest, eine Öko-Hippie, die in die Jahre gekommen ist. Dabei hat sie einen Termin in der Hansestadt. Schnurstracks steuern Marianne und Tiana - mit Philipp im Schlepptau - auf das einzige noch freie Taxi zu, schliesslich drängt ja die Zeit. Darin sitzt jedoch bereits die junge Susi (Lena Urzendowsky), die auch angibt, nach Hamburg fahren zu wollen. Der Taxifahrer Josef (Joachim Król) willigt widerwillig ein, die vier mit auf eine 791 Kilometer lange Taxifahrt einmal quer durch Deutschland zu nehmen. Dabei prallen unterschiedlichste Lebensgeschichten und politische Ansichten aufeinander.

Vier unterschiedlichste Menschen, mehrere Stunden auf engstem Raum zusammengepfercht: Dies ist die Devise in 791 km. Dabei kommen sich die (nicht ganz einfachen) Charaktere mehr als einmal in die Quere. Dies ergibt eine Tragikomödie, die zwar sehr schnell vorhersehbar ist, das Herz aber doch am rechten Fleck hat. Auf Woke-Themen und Serien-Optik hätte verzichtet werden dürfen, und ein etwas konsequenteres Ende hätte der langen Taxifahrt auch nicht geschadet.

Tobi Baumann (Der Wixxer) nimmt uns in seinem neusten Film mit auf einen abenteuerlichen Roadtrip quer durch die Bundesrepublik Deutschland. Dabei lässt er die unterschiedlichen Charaktere schicksalhaft aufeinandertreffen und eine Zwangs-Fahrgemeinschaft entstehen, die einiges an Zunder bietet. So unterschiedlich die vier Fahrgäste und der Taxichauffeur auch sind, so unterschiedlich sind die jeweiligen Beweggründe, die grosse Distanz mit dem Taxi zurückzulegen.

Die Tragikomödie spielt über längere Zeit auf knappem Raum - im Taxi - und wartet mit bissigen Dialogen auf. Die Konstellation der Menschen mit all ihren Problemen und Bewältigungsstrategien spielt dabei die eigentliche Hauptrolle. Dabei kauen sie einige Woke-Themen und aktuelle Geschehnisse durch, was nicht unbedingt notwendig gewesen wäre. Denn wirklich spannend wird es erst, wenn die Charaktere in die Tiefe gehen, sich Lebensgeschichten offenbaren; wenn aus unsympathischen Egomanen Menschen werden, die etwas zu erzählen haben. Auch da rührt der Film mit der etwas zu grossen Kelle an und drückt das eine oder andere Mal etwas gar auf die Tränendrüse. Doch alles in allem hat 791 km das Herz am rechten Fleck und schafft es, Emotionen zu wecken.

Dazu tragen nicht nur die dargestellten Charaktere bei. Diese handeln zwar nicht durchs Band konstant nachvollziehbar, vollziehen insgesamt doch alle eine Wandlung. Auch die schauspielerische (leicht überhöhte) Darstellung der Charaktere durch einen erfahrenen und namhaften Cast wie Iris Berben, Götz Otto und Nilam Farooq weiss grösstenteils zu gefallen.

Leider ist jedoch schnell absehbar, welche Richtung der Film einschlägt. Er erreicht den dramaturgischen Höhepunkt just in time. So bleibt genügend Zeit, den bereits erwarteten Endspurt zu starten und schliesslich genau da zu enden, wo es zu erwarten war. Ebenfalls negativ fallen die Füllszenen auf, bei denen die Umgebung gefilmt oder im Zeitraffer dargestellt wird. Dies leistet keinen Beitrag zu der Handlung und erinnert eher an vorabendliche Soaps auf Privatsendern.

791 km verfolgt gute Ansätze auf beengtem Raum, mit dem immer mal wieder gespielt wird. Doch der Filim schafft es schlussendlich leider nicht, diese Ansätze zufriedenstellend zu Ende zu bringen und bricht am Ende ein.

Yannick Bracher [yab]

Yannick ist Freelancer bei OutNow seit Sommer 2015. Er mag (Indie-)Dramen mit Sozialkritik und packende Thriller. Seine Leidenschaft sind Filmfestivals und die grosse Leinwand. Er hantiert phasenweise noch mit einem Super-8-Projektor und lernt die alten Filmklassiker kennen und schätzen.

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Trailer Deutsch, 02:09