She Said wagt einen fast unmöglichen Spagat: Einerseits stehen unsägliche Gräueltaten gegen Frauen im Fokus - andererseits wird auf sehr sachliche Art aufgezeigt, wie zwei Journalistinnen ihrer Arbeit nachgehen. Das Resultat ist weder langweilig, herzlos noch sensationslüstern, sondern ein packender Film, der es schafft, genau jenen eine Stimme zu geben, die viel zu lange stumm gehalten wurden. Abgerundet durch Oscar-würdige Darbietungen von Carey Mulligan und Zoe Kazan, ist She Said ein toller Film darüber, wie wichtig seriöser Journalismus ist und wie er in Bestform bitter nötigen Gesellschaftswandel in die Gänge bringen kann.
2017 haben Jodi Kantor und Megan Twohey - zusammen mit Ronan Farrow - mit ihren Reportagen über Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe in Hollywood einen sprichwörtlichen Tsunami ausgelöst. Bald weiteten sich die Enthüllungen auf andere Industrien aus: Die Bewegung #MeToo war geboren und hat damit - viele würden sagen endlich - einen Hauch von gesellschaftlichem Wandel ausgelöst. Mächtige Männer, die ihre Positionen oft über Jahrzehnte schamlos ausgenutzt hatten, wurden endlich zur Rechenschaft gezogen. Für viele Frauen kam das sehr befreiend: Plötzlich waren sie nicht mehr allein und durften in vielen Fällen zum ersten Mal offen über ihre Erfahrungen sprechen, ohne Angst vor Vergeltungsschlägen haben zu müssen.
She Said befasst sich ohne Frage mit einem Thema, das unsere Kultur und unser kollektives Bewusstsein wie kaum ein anderes im 21. Jahrhundert geprägt hat. In vieler Hinsicht fühlt es sich aber an, als ob wir uns als Gesellschaft immer noch in diesem Wandel befinden, der durch Kantor, Twohey und Farrow losgetreten wurde. Objektive Distanz zum Thema ist also kaum möglich und zu diesem Zeitpunkt wohl auch nicht erwünscht. Es bräuchte wohl noch zehn Jahre, bis wir die Geschehnisse sinnvoll geschichtlich und sozio-kulturell einordnen, bewerten und objektiv reflektieren können. Zum Glück mindert dies die Leistung von She Said kein bisschen und macht den Film erst recht zu einem äusserst faszinierenden Projekt. Klar steht analytischer investigativer Journalismus im Vordergrund. Aber anders als in Filmen wie Spotlight gibt ihm die fehlende Distanz zum Geschehen einen viel emotionaleren Zugang zur Traumaverarbeitung der Betroffenen, ohne dabei sensationslüstern zu wirken.
So hat She Said alles, was man sich von einem Film über investigativen Journalismus wünscht: Spannung, faszinierende Hintergrundrecherchen, Twists und der ständige Druck, eine brauchbare Story zu produzieren. Was dabei besonders gefällt, ist dass der Film in jeder Szene seinen Fokus auf den Frauenschicksalen lässt und diese mit viel Feingefühl und Würde dem Publikum näherbringt. Auch sonst kriegen Frauen und ihre Geschichten, Probleme und Traumata extrem viel Raum. Gekonnt schaffen es Regisseurin Maria Schrader und Drehbuchautorin Rebecca Lenkiewicz, Frauen ihre Geschichten aus ihrer Sicht erzählen zu lassen. Eine männliche Meinung oder Sichtweise ist weder relevant noch erwünscht. So liegt der Fokus ganz auf den mutigen porträtierten Frauen und ihrem Kampf ums Überleben, ihren unbeschreiblichen Mut und ihre Resilienz.
Ja, She Said zeigt schreckliche Geschehnisse auf. Sie werden aber auf eine Art geframet, welche es den dargestellten Frauen erlaubt, selbst über ihre Geschichten zu verfügen. Damit wird ihren Aggressoren ein grosses Stück Macht genommen. Eine betroffene - und bekannte - Schauspielerin spielt sich sogar selber. Ihr Gesicht wird jedoch erst in einer Schlüsselszene gezeigt. Solche Mittel wirken unglaublich kraftvoll und dürften bei vielen wie ein Schlag in die Magengrube landen.