Love Life (2022)

Love Life (2022)

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  2. 123 Minuten

Filmkritik: Keita kommt nicht wieder

79. Mostra Internazionale d'Arte Cinematografica 2022
Ein Bild aus glücklichen Tagen.
Ein Bild aus glücklichen Tagen. © Film Partners, Comme des Cinemas

Taeko (Fumino Kimura) lebt mit ihrem Sohn Keita und ihrem zweiten Ehemann Jiro (Kento Nagayama) ein friedliches Leben im heutigen Japan. Zwar wünschen sich Taekos Schwiegereltern einen weiteren Enkel, obwohl der kleine Keita als Meister des Brettspiels Othello ein süsser kleiner Fratz ist. Aber dieses passiv-aggressiv vorgetragene Bedürfnis stört das kleine Geburtstagsfest, das für den Opa organisiert wird, nicht weiter.

Japanisch-koreanische Zweckgemeinschaft.
Japanisch-koreanische Zweckgemeinschaft. © Film Partners, Comme des Cinemas

In einem unbeobachteten Moment stürzt Keita aber in die mit Wasser gefüllte Badewanne und ertrinkt. Sein Tod erschüttert Taeko und sie hat Schuldgefühle. Bei der Beerdigung taucht plötzlich auch der leibliche Vater von Keita auf. Park (Atom Sunada) hat sich bei Taeko seit Jahren nicht mehr gemeldet. Nun ohrfeigt er sie vor allen Leuten und bleibt als Obdachloser in der Gegend. Taeko kann nicht anders, als sich um den taubstummen Kauz aus Korea zu kümmern.

Eine sehr spezielle Menage-à-trois, die uns Fukada hier serviert. Wie die Wohnung, in welcher der Film spielt, auf kleinstem Raum so praktikabel wie möglich sein soll, wirkt alles sehr japanisch. Das stille Melodram zeigt unterschiedliche Arten der Trauerbewältigung und belohnt die, welche sich auf die bewusst abrupten Stimmungsschwankungen einlassen.

Love Life ist ein Film der leisen Töne. Wie in einer Blockwohnung, bei der man auf die Nachbarn Rücksicht nehmen muss, schleicht die Geschichte vor sich hin, und drei Figuren bleiben besonders gut in Erinnerung. Sie alle sind auf ihre ganz eigene Art fremd - möglicherweise weil sie in Japan leben - und trotzdem auf eine ungewöhnliche Art sympathisch.

Der sechsjährige Keita ist ein aufgewecktes und trotzdem anständig erzogenes Kind. Seine Faszination für das Brettspiel Othello, das in Europa unter dem Namen Reversi bekannt ist, scheint grenzenlos. Oft spielt er mit den Steinen auf dem Tisch, während er sich gleichzeitig auch noch online duelliert. In nur ganz wenigen Filmminuten hat man den japanischen Bub so in sein Herz geschlossen, dass einem sein sehr abrupter Filmtod richtiggehend mitnimmt.

Sein Mutter ist Taeko, sanftmütig gespielt vom japanischen Star Fumino Kimura. Sie leidet an extremem Helfersyndrom und verschwindet auch bei noch so kleinen Tätigkeiten fast hinter einer Fassade aus Scheu. Ob beim Organisieren einer Geburtstagüberraschung, oder dem Essenverteilen an Randständige. Die Sozialarbeiterin nimmt sich so sehr zurück, als würde sie am liebsten gleich im Boden versinken.

Die dritte Person ist Taekos Ex-Mann Park, gespielt von Misuzu Kanno, der auch im richtigen Leben taub ist. Als Halbkoreaner ohne festen Wohnsitz wird Park in Japan sowieso geächtet von der Gesellschaft. Kommt hinzu, dass er lügt und generell sehr unzuverlässig scheint. Seine Hilflosigkeit, die nicht sich nicht nur aufgrund der Gebärdensprache manifestiert, hat natürlich fast schon magnetische Wirkung auf Taekos Hilfsbereitschaft.

Sexuell flammt die Beziehung zwischen Taeko und Park nicht wieder auf. Dafür ist Love Life, dessen Titel auf einem Song von Akiko Yano basiert, zu nüchtern. Trotzdem knallt es am Ende des Films nochmals überraschend gehörig. Eine Hochzeit in Korea als witzige Haudrauf-Pointe in einem Film, der sonst vieles nur leise andeutet.

Roland Meier [rm]

Roland sammelt 3D-Blu-rays, weil da die Publikationen überschaubar stagnieren, und kämpft im Gegenzug des Öfteren mit der Grenze der Speicherkapazität für Aufnahmen bei Swisscom blue TV. 1200 Stunden Film und Fernsehen ständig griffbereit sind ihm einfach nicht genug.

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Trailer Originalversion, mit deutschen Untertitel, 01:32