Inventing Anna (2022)

Inventing Anna (2022 / Mini-Serie)

Miniserie-Review: How not to be a basic bitch

Netflix
«And the Oscar for best Resting-Bitch-Face goes to…»
«And the Oscar for best Resting-Bitch-Face goes to…» © Netflix

Die Reporterin Vivian Kent (Anna Chlumsky) arbeitet für das Manhattan Magazine, wo sie, nach einem Skandal, sozusagen auf der Ersatzbank sitzt. Als sie von einem unscheinbaren Gerichtsfall hört, beginnt sie, entgegen den Aufforderungen ihres Editors, dem Fall nachzugehen. Dabei handelt es sich um Anna Sorokin (Julia Garner), die sich als Anna Delvey, deutsche Erbin mit einem massiven Treuhandfonds, in der New Yorker High-Society einen Namen gemacht hat und nun wegen Betrugs und Diebstahls angeklagt wird.

Bei diesem aussichtslosen Spielstand hilft auch der Telefonjoker nichts mehr.
Bei diesem aussichtslosen Spielstand hilft auch der Telefonjoker nichts mehr. © Netflix

Mittels Interviews mit Anna selbst, ihrer Freundin Neff (Alexis Floyd), der Celebrity-Personal-Trainerin Kacy (Laverne Cox) und diversen «Opfern» recherchiert sich Vivian die unglaubliche Geschichte der Hochstaplerin zusammen. So kommt immer klarer ans Licht, wie es Anna über mehrere Jahre hinweg gelang, sich in den teuersten Gefilden New Yorks zu bewegen und beinahe mehrere einflussreiche Investoren dazu zu bringen, Millionen in sie zu investieren.

Alles in allem gelingt Shonda Rhimes mit Inventing Anna eine spannende Adaption der unglaublichen Geschichte um die Hochstaplerin Anna Sorokin alias Anna Delvey. Der Selbstbezug der Hauptcharaktere können an die Decke nerven, gleichzeitig funktioniert die spannende Story aber als Haken, der das Publikum angepisst - äh… angebissen hält.

Wenn Shonda Rhimes (Grey's Anatomy) eines gelingt, dann sind es populäre Serien mit oberflächlichen, selbstbezogenen Charakteren und viel Drama. Mit diesem Erfolgsrezept setzte sie auch die Story um Anna Sorokin alias Anna Delvey um, die vor ein paar Jahren Schlagzeilen machte, nachdem sie sich als deutsche Erbin mit einem beachtlichen Treuhandfonds ausgegeben hatte, so Beträge in Millionenhöhe ergaunerte und einen äusserst luxuriösen Lebensstil auf Kosten anderer auslebte.

Inventing Anna hält sich überraschend detailnah an einen 2018 veröffentlichten Artikel. Die Hauptfigur in der Serie, Vivian Kent, basiert ziemlich genau auf der Verfasserin des Artikels, Jessica Pressler. Sogar die Schwangerschaft der Journalistin wurde mitübernommen, obwohl ganz in Rhimes-Manier rund um diese Schwangerschaft noch ganz viel Drama aufgebaut wurde. Sogar die Instagramfotos von Anna Sorokin wurden für die Serie ziemlich genau nachgestellt. Dieses Auge fürs Detail macht, dass die Netflix-Miniserie so gut funktioniert. Es bleibt nicht nur spannend, sondern ist auch schön fürs Auge - wenn man gerne ein paar geldbesessenen Millennials zuschaut, die von einem Luxushotel zum nächsten jetten.

Verblüffend an Inventing Anna ist, dass die Charaktere dermassen auf die Nerven gehen, und trotzdem möchte man weiterschauen. Schliesslich will man erfahren, wie es Anna gelungen ist, so viele einflussreiche Leute der New Yorker Upper Class zu täuschen. Gerade weil es sich um eine wahre Geschichte handelt, fesselt die Serie so und löst damit eine breite Gefühlspalette aus.

Von Faszination über Genervtheit ist alles dabei. Faszination, weil es schier unglaublich ist, wie einfach diese reichen, dekadenten Menschen getäuscht werden konnten - sogar einen Privatjet kann man anscheinend ganz einfach stehlen, wenn man weiss, wie man richtig mit dem Bodenpersonal spricht: von oben herab, als ob sie Ungeziefer wären. Und das führt zur Genervtheit: Julia Garner (Ozark) als Anna nervt bereits nach zwei Minuten Laufzeit mit ihrem unmöglichen Akzent und ihrer empörenden Arroganz. Wenn eine Figur nicht ans Herz wächst, dann sie. Umso beeindruckender erscheint es, wie ihr diese Hochstapelei so gut gelungen ist.

Der Charakter von Vivien Kent, gespielt von Anna Chlumsky (Veep, My Girl), löst genauso gemischte Gefühle aus, wobei mit der Zeit eher die negativen Überhand nehmen - Vorsicht, dass euch beim Schauen die Augen nicht im Hinterkopf stecken bleiben. Ihre Figur funktioniert nämlich nur, weil sie einen Mann und drei ältere Journalisten-Kollegen hat, die kein eigenes Leben haben. Diese vier Nebencharaktere unterstützen die Hochschwangere bis zum Schluss, existieren off-screen aber nicht mal mit viel Fantasie.

Überhaupt ist die Serie beherrscht von selbstbezogenen, egozentrischen und oberflächlichen Figuren, die beim Binge-Watching aggressiv machen können. Eine Pause zwischen den Episoden lohnt sich also, um sich zwischendurch mit «normalen» netten Personen auszutauschen, die nicht nur sich selbst ins Zentrum der Welt stellen.

Diana Rolny [dro]

Diana arbeitet seit 2013 als Freelancerin bei OutNow. Sie liebt Dokumentationen wie «The Life of Brian» und Wanderfilme aus Mittelerde. Zu schwarzhumorigen Komödien geniesst sie gerne einen Martini Dry, bei Sci-Fi einen Pangalactic Gargleblaster und bei sinnfreien Kunstfilmen einen Molotowcocktail.

  1. Artikel
  2. Profil