Holy Spider wagt den Gang in die dunkelsten Tiefen und Abgründe der menschlichen Seele und zeigt diese schonungslos und in aller Brutalität. Die heilige Stadt Mashhad nahe der afghanischen und turkmenischen Grenze ist Schauplatz für die Morde eines Psychopathen, dessen Begründung für seine Taten erschaudern lässt.
Politisch äusserst brisant und erschütternd ist die Kernaussage des Filmes. Sie zeigt die noch immer vorhandene kulturelle Wertvorstellungen und Ansichten im Hinblick auf die Rolle der Frau in der iranischen Gesellschaft. Sicherlich befinden sich diese Rollenbilder im Wandel, und doch scheinen das Bild und die Position der Frau in der iranischen Struktur noch immer tief verwurzelt. Eine Anklage an das System und die Behörden wird erst dann erhoben, als sich die Journalistin als Stimme für die Opfer einschaltet und riskante, ihr eigenes Leben gefährdende Ermittlungen anstellt.
Holy Spider schockiert und provoziert von der ersten Minute an. In einer der ersten Szenen ist ein Mord an einer jungen Frau zu sehen. Erbarmungslos und grauenhaft wird die junge Frau erdrosselt, die Kamera filmt während des gesamten Todeskampfes ihr um das Leben ringendes Gesicht. Abbasi kennt kein Pardon, zeigt, was wir nicht sehen möchten.
In seiner expliziten und ohne Vorwarnung dargestellten Brutalität erinnert der Film an Der Goldene Handschuh, wenn auch die Motive der Täter sich stark unterscheiden. Die Inkongruenz, dass der Täter selbst Vater und Ehemann ist und diese Szenen immer wieder dargestellt werden, macht die Taten für das Publikum noch schwerer verständlich - falls es überhaupt so etwas wie Verständnis für solche Verbrechen gibt.
Die voyeuristische Grundhaltung und kleine Lücken in der Story sind zwei Kritikpunkte an dem Film. Er ist knallharte Kost und nicht schön anzusehen, was jedoch nicht der Bildsprache und der Kameraarbeit geschuldet ist, denn diese weiss sehr zu überzeugen. Die nächtlichen Fahrten durch die Stadt bei ohrenbetäubendem Dröhnen und die Kamerafahrt bei der Einblendung des Titels sind sehr ästhetisch inszeniert.
Am Ende bleiben Fragen: welch innerer Hass, welche Gleichgültigkeit oder welche religiöse Verblendung einen Menschen zu seinen Taten antreiben muss; weshalb so viele Frauen ihr Leben lassen müssen, ehe die Behörden aktiv werden; und wie die Korruption und Untätigkeit des Staates so viele Menschenleben fordern kann.