The Banshees of Inisherin (2022)

The Banshees of Inisherin (2022)

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  3. 109 Minuten

Filmkritik: Fristlose Freundschaftskündigung

79. Mostra Internazionale d'Arte Cinematografica 2022
Ohne Fingerspitzengefühl
Ohne Fingerspitzengefühl © Searchlight Pictures

Pádraic (Colin Farrell) ist fassungslos, als er bei seinem langjährigen Freund Colm (Brendan Gleeson) an die Türe klopft und dieser ihn einfach ignoriert. Eigentlich gehört es zur täglichen Routine der beiden, am frühen Nachmittag im nahegelegenen Pub gemeinsam etwas trinken zu gehen. Also geht Pádraic allein in die Bar, in der Hoffnung, dass Colm irgendwann aufkreuzt. Weil er aber vergebens auf ihn wartet, sucht er Colm erneut in seiner Hütte auf und will eine Erklärung für sein Verhalten. Colm gibt Pádraic zu verstehen, dass er nicht mehr sein Freund sein will und nichts mehr von ihm hören möchte. Pádraic ist entsetzt und kann dies nicht so einfach hinnehmen. Hat er etwas Falsches gesagt oder getan?

Ein ähnlicher Intelligenzquotient
Ein ähnlicher Intelligenzquotient © Searchlight Pictures

Nach wiederholtem Nachfragen erklärt Colm Pádraic, dass er seine Zeit zukünftig sinnvoll investieren wolle in Musik, Kunst und Poesie, anstatt sich das dämliche Gelaber von Pádraic anzuhören. Mithilfe seiner Schwester Siobhán (Kerry Condon) und dem jungen Unruhestifter Dominic (Barry Keoghan) versucht Pádraic weiter, Colm zur Vernunft zu bringen. Aber Colm meint es ernst: Er droht damit, sich selbst jedes Mal einen Finger abzuhacken, wenn Pádraic mit ihm Kontakt aufnimmt.

Dass diese Kombination bestens funktioniert, wurde bereits mit In Bruges bewiesen. Regisseur Martin McDonagh lässt in seinem neusten Film erneut die beiden irischen Schauspieler Colin Farrell und Brendan Gleeson brillieren. Die clever geschriebenen Dialoge dieser schwarzen Komödie über eine gebrochene Freundschaft enthalten insbesondere in der Anfangsphase in beinahe jedem Satz irrsinnig guten Humor. Gleichzeitig lassen sich in dem Film, der eigentlich eine tragische Geschichte mit melancholischem Unterton erzählt, aber auch spannende Allegorien, Metaphern und Symbolik ausfindig machen.

Martin McDonaghs letzter Film Three Billboards Outside Ebbing, Missouri wurde für sieben Oscars nominiert und gewann in zwei Kategorien. Eine Auszeichnung ging an die überragende Leistung der Hauptdarstellerin Frances McDormand (Fargo), welche in dem humorvoll erzählten Drama als Mutter einer ermordeten jungen Frau auf eigene Faust für Gerechtigkeit kämpft.

Seine neue schwarze Komödie The Banshees of Inisherin ist seinem Vorgängerwerk in seiner Erzählweise und Struktur recht ähnlich. Erneut erzählt der britisch-irische Regisseur eine eigentlich sehr tragische, melancholische Geschichte und verpackt diese in einer Unmenge an originellem schwarzem Humor.

In Bezug auf das Storytelling kann The Banshees of Inisherin McDonaghs letztem Film das Wasser zwar nicht reichen, aber in Sachen Humor ist er mindestens so reichhaltig. Insbesondere zu Beginn des Films sorgt beinahe jede Aussage von jeder Figur in irgendeiner Form für einen Lacher. Das Drehbuch ist schlichtweg genial geschrieben und die Dialoge werden von den Darstellern im genau richtigen Ton und in den exakt besten Momenten geliefert.

Die kleine Insel an der Westküste Irlands ist der ideale Schauplatz für die Geschichte, die erzählt wird. Der Ort hat zwar etwas Idyllisches an sich. Jedoch untermalt er mit den insgesamt eher kühlen Bildern und seiner windigen Weitflächigkeit bestens die melancholische Stimmung, in welche Colin Farrells (In Bruges) Pádraic nach der verlorenen Freundschaft gerät. In den Bildern lassen sich zudem auch immer wieder schöne Allegorien und Symbolik ausmachen. Dass Pádraic einen Esel besitzt und diesen gar als Haustier hält, während Colm einen Hund besitzt, ist wohl nicht zufällig gewählt.

Mehrmals über den Film hinweg sieht Pádraic in der gegenüberliegenden Küstenregion Feuergefecht vom Bürgerkrieg. Die Unvernunft des Streits zwischen Pádraic und Colm kann sicherlich auch als Metapher für die Sinnlosigkeit und die Aussichtslosigkeit des Nordirlandkonflikts verstanden werden.

Mit ihren grossartigen Darstellungen bieten sowohl Colin Farrell als auch Brendan Gleeson (The Guard) dem Publik Identifikationsmöglichkeiten. Farrell bringt die Verzweiflung seiner Figur stark zum Ausdruck und angesichts des eiskalten, urplötzlichen Freundschaftsbruchs kann wohl jeder Mensch mit ihm mitfühlen. Aber so gemein es sich anhört, lässt sich auf gewisse Weise auch die Sicht von Gleesons Colm im entfernten Sinn nachvollziehen. Dass er das Bedürfnis hat, seine Zeit produktiv und kreativ zu gestalten, ist grundsätzlich eine schöne Einstellung. Aber deswegen gleich komplett die beste Freundschaft aufzulösen, wirkt etwas gar heftig. Auf alle Fälle stellt The Banshees of Inisherin damit auch spannende Fragen zu zwischenmenschlichen Beziehungen.

Gianluca Izzo [gli]

Gianluca ist seit 2013 als Freelancer für OutNow tätig. Er liebt es, verborgene Perlen an Filmfestivals zu entdecken, insbesondere in Venedig. Neben seinem Faible für italienische und skandinavische Filme bewundert er die Werke von Scorsese, Lynch, Villeneuve und Chazelle sowie die Bond-Klassiker.

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