The Water - El agua (2022)

The Water - El agua (2022)

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Filmkritik: Tut Flut gut?

75e Festival de Cannes 202258. Solothurner Filmtage 2023
Beim Nachstellen der Filmtitel von M. Night Shyamalan war sie unschlagbar.
Beim Nachstellen der Filmtitel von M. Night Shyamalan war sie unschlagbar. © Alina Films, SUICAfilms

Der Sommer im südspanischen Alicante ist hitzig. Eine Gruppe von Teenagern vertreibt sich die Zeit mit Tanzen, Rumhängen und Flirten. Darunter auch Ana (Luna Pamies) und José (Alberto Olmo), zwischen denen sich eine zärtliche Liebelei anbahnt. Kuschelige Töffli-Touren inklusive.

Artischocken zu rüsten, hasste sie hingegen.
Artischocken zu rüsten, hasste sie hingegen. © Alina Films, SUICAfilms

Die Gegend namens Vega Baja wird aber auch regelmässig von Überschwemmungen heimgesucht. Es gibt viele mündlich überlieferten Legenden von ertrinkenden Frauen, die sich das Wasser zur Besänftigung holt. Auch Anas Mutter und Grossmutter glauben diese Sagen und vermitteln die Angst vorm Wasser - wie viele andere Frauen - ihrem Nachwuchs weiter.

In ihrer sehr persönlichen Auseinandersetzung mit der Gegend, aus der sie selber stammt, vermischt die spanische Regisseurin Elena López Riera Fiktives mit Dokumentarischem. Laiendarsteller aus der Flutregion, wo Wasser gleichzeitig Bedrohung und Lebensgrundlage darstellt, zeigen, dass mündliche Überlieferungen auch eine Form von Machismo sein können. Frauen werden so verängstigt, dass der Klimawandel, der rein wissenschaftlich eher Grund für die Überschwemmungen ist, nicht einmal am Rande thematisiert wird.

Elena López Riera kennt die Legenden von den Wasserfrauen schon von Kindesbeinen an. Sie waren Teil der Erzählungen ihrer Mutter, der Grossmutter oder von Nachbarinnen. Die ganze Gegend um die südspanische Stadt Orihuela hat eine Hass-Liebe zum Wasser. Man kennt dort einen Heiligen für den Regen und einen anderen, um zu starke Regenfälle zu verhindern. Die Sage wird gleich zu Beginn des Films erläutert und alles Nachfolgende baut auf ihr auf.

Der Film hat keine klare Grenze zwischen Fiktion und Dokumentation. Riera baut lokale Frauen als Talking Heads in die Handlung ein, die direkt in die Kamera sprechen und über das Phänomen erzählen. Und die historischen Fluten seit dem Mittelalter werden bildlich belegt - bis zur jüngsten Katastrophe von 2019, die mit Handyaufnahmen dokumentiert ist. Die meisten Darstellerinnen sind auch Laien aus der Region.

Das Überliefern als Akt der Wahrung von Wissen findet seine Entsprechung aber nicht nur in den Zeugenaussagen, die der historischen Faktenfindung dienen, sondern auch in der filmischen Schilderung von Fertigkeiten, wie Maurern oder Artischocken kochen. Beides wird der jüngsten Generation von ihren Eltern beigebracht. Die Liebelei zwischen Ana und José als Rahmenhandlung ist hingegen nur das handelsübliche Teenie-Drama, damit die sagenumwobene Gegend als Spielfilmsujet taugt. Eine etwas andere Art der «Verwässerung».

Der Klimawandel, den weniger leichtgläubige Zeitgenossen als Ursache der Fluten erkennen, kommt als Thema in El Agua gar nicht vor. Und das oppressive Narrativ der Erzählung, dass man dem Fluss die Frauen opfern soll, tritt in den Vordergrund. In der Tat ist es zur «Hexenverfolgung» nicht mehr weit, wenn Frauen mit Schauergeschichten unterdrückt werden.

Roland Meier [rm]

Roland sammelt 3D-Blu-rays, weil da die Publikationen überschaubar stagnieren, und kämpft im Gegenzug des Öfteren mit der Grenze der Speicherkapazität für Aufnahmen bei Swisscom blue TV. 1200 Stunden Film und Fernsehen ständig griffbereit sind ihm einfach nicht genug.

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