Nicht etwa wie der Dichter der Novelle um 1940 mit feingliedriger Sprache, sondern intensiv und wuchtig erzählt Regisseur Philipp Stölzl (Ich war noch niemals in New York, Der Medicus) die Geschichte eines durch Folter in den Wahnsinn getriebenen Menschen.
Der Stoff wurde von Drehbuchautor Eldar Grigorian mit mutigen Eingriffen umgestaltet. Diesen fiel beispielsweise das Novellistische der «Schachnovelle» zum Opfer, auch wurden neue Nebencharaktere eingeführt, die zwar mit Leuten wie Albrecht Schuch (Berlin Alexanderplatz, Systemsprenger) oder Birgit Minichmayr (Wanda, mein Wunder, Der Knochenmann) fein besetzt wurden, jedoch etwas gar stark zurückgenommen wirken; oder - wie zum Beispiel Schach-Weltmeister Czentovic - äusserst leer daherkommen.
Bartok ist hier nicht mehr wie bei Zweig eine aus dem Nichts in das leichte Amusement der dem Weltkrieg entkommenen wohlhabenden Bürger hereinbrechende namenlose Nebenfigur, die wie eine Mahnung an eine andere Welt nolens volens zum Zentrum des Geschehens wird, sondern die Erzählung tragende, zutiefst traumatisierte Person - und somit auch ein Stück weit entmystifiziert. Leider will das Ganze nicht vollends aufgehen, auch weil der Schluss - immerhin eine Reverenz an Joker - missrät.
Überhaupt reicht an die Vielschichtigkeit von Joaquin Phoenix' Joker/Arthur Fleck Stölzls Josef Bartok nicht heran, allzu fest steht der Wahn des von Flashbacks gejagten Notars im Fokus, der nicht nur die Erzählung, sondern auch die Bild- und Tonsprache vom ersten Moment an durchdringt. Mit Oliver Masucci (Als Hitler das rosa Kaninchen stahl, Er ist wieder da) wurde die Rolle jedoch treffsicher besetzt. Er schafft es, auch in dieser Welt von Schwarz und Weiss die Zwischentöne zu bedienen und bietet seiner Figur auch dann noch Entwicklungsmöglichkeiten, wenn es ihr die Dramaturgie gar nicht mehr erlaubte - und das ist leider schon ziemlich früh der Fall.
Der Wahnsinn, das Trauma und die Manie sind von der ersten Minute an omnipräsent. Das ist ergreifend zwar und geht unter die Haut - auch die Ästhetik des «das Ego des Gegners zerschmetternden» Schachspiels ist beeindruckend in Szene gesetzt -, doch mit dem psychischen Hochdruck, unter den sich der Film mit der ersten Sekunde setzt, nimmt er sich auch den Spielraum, um die Schraube immer stärker anzuziehen. Notgedrungen treibt sich der Thriller in der Darstellung von Folter, Gewalt und des Drohens schliesslich selbst in die Sackgasse des Plakativen.
So grenzt er sich ebenso stark von Zweigs Klassiker ab wie mit seiner erzählerischen Überdeutlichkeit und der demonstrativen Auslegung gewisser Konstellationen oder Begebenheiten des Unsagbaren. Damit opfert er im cineastischen Schachspiel mehr als nur einen Bauern. Denn das Unsagbare - da hätte sich vielleicht mehr Orientierung an Zweigs Erzählung gelohnt - auch unsagbar respektive unzeigbar zu lassen, kann mitunter grausamer sein, als es in Worte oder Bilder zu fassen.