Dass die Freiheit über den Wolken grenzenlos sein muss, besang Reinhard Mey schon in den Siebzigerjahren. Ein Raum frei von Ängsten und Sorgen. Natürlich hätte damals niemand die Entwicklung vom stilvollen Reisemittel hin zum modernen Viehtransporter vorhersehen können. Ausbeuterbetriebe wie eine gewisse irische Fluglinie befinden sich im ständigen Preiskampf, dessen Druck letztendlich auch beim eigenen Personal ankommt.
Bei Wings werden die Stewards und Stewardessen ständig an ihre Verkaufsraten erinnert, müssen sich täglich gegenseitig bewerten und sogar ausspionieren, damit ja niemand gegen eine Regel verstösst. Die Sicherheit geht schliesslich vor im Luftverkehr, aber genauso wichtig wie eine sichere Landung ist eben auch verkauftes Parfüm aus dem Duty-free-Sortiment.
Cassandre ist dem Ruf der Freiheit gefolgt, wie so viele junge Frauen, die für ein paar Jahre Reisen und Arbeit miteinander verbinden wollen. Freundlich lächeln, Orangensaft ausschenken und dann am Abend eine neue Metropole entdecken. Jede neue Drangsalierung von ihrem Vorgesetzten wird schweigend entgegengenommen - sie möchte doch einfach nur ihren Job machen. Rien à foutre zeigt uns all die typischen Szenen im Leben einer Stewardess, als wäre es ein Pflichtprogramm. Aufgelockert wird es ab und zu durch eine ansehnliche Rollfeldfahrt in der Abendsonne oder einen musikalisch unterlegten Longtake auf dem Rollband. Sonst ist Cassandres Arbeitsalltag bewusst in allen Aspekten beengt und kalt gehalten. Man versteht nicht, warum sie so an ihrem Job hängt.
Mit der täglichen Rückkehr nach Teneriffa wird es zwar nicht weniger einsam, aber zumindest formal bricht der Film hier auf. Im Klub rückt die Kamera noch näher an unsere Protagonistin heran. Ungeschminkt und ohne Uniform wird Cassandre verletzlich und verliert tatsächlich mal einen Satz über ihre Gefühle - auch wenn die richtige Ansprechperson dafür fehlt. Die Intimität des Hotelzimmers erinnert dank Beleuchtung und Kameraführung an ein Heimvideo. Nur fünf Minuten möchte Cassandre nach dem One-Night-Stand nicht alleine sein, ein einfacher und tragischer Wunsch.
Es sind diese wenigen Szenen, die unsere Protagonistin interessant machen, die einen Blick unter die Oberfläche gewähren. Denn ansonsten könnte Cassandre nicht gewöhnlicher sein, stellvertretend für eine Generation, die ihren gesamten Abend auf Instagram verbringt. Adèle Exarchopoulos spielt dabei in allen Nuancen so überzeugend, dass man die Schauspielerin vergisst und nur noch die Figur sieht. Mangels Gesprächspartner:innen ist es oft ein Spiel mit der Kamera.
Doch all die Darstellung von Oberflächlichkeit und Passivität fällt Rien à foutre letztendlich auf die Füsse. Die blosse Aufzählung der Missstände der Billigairline ist uninteressant, vor allem wenn sich nicht mal die Protagonistin dafür interessiert. Selbst die Rückkehr ins Elternhaus zeigt uns nur vor, dass Cassandre geflohen ist. Das Warum bleibt allerdings wie ein Eisberg unter der Oberfläche. Immerhin kann man es als kleines Kunststück auffassen, wenn ein Film bis zu seiner letzten Einstellung wartet, um etwas Hoffnung zu vermitteln. Sei es nun auf eine Weiterentwicklung oder einen Abschluss.