Der US-amerikanische Indie-Regisseur Sean Baker hat sich die Messlatte sehr hoch gelegt mit seinem Vorgängerwerk und Publikumsliebling The Florida Project, in dem er den Alltag von Kindern aus den amerikanischen Unterschichten frech, lebhaft und authentisch darstellt. Dem Niveau dieses Geniestreichs vermag sein neuster Film Red Rocket das Wasser nicht zu reichen. Dennoch hat die Komödie ihre starken Momente, und stilistisch ist er seinem letzten Film in vielerlei Hinsicht ähnlich.
Auch Red Rocket ist visuell insgesamt sehr heiter gestaltet und lässt die eigentlich sehr tragische Geschichte so viel besser erträglich erscheinen. Symmetrische Bilder von extravagant aussehenden Shops mitten im Nirgendwo stehend sind ein Beispiel dafür; oder das hellblaue City-Bike, das der Protagonist Mikey elegant durch die Strassen von Texas City kurvt. Auch in der farbigen Kleidung der Figuren äussert sich die Heiterkeit. Und Strawberrys knallrote Haare leuchten förmlich durch die Bilder und intensivieren so Mikeys Faszination für sie. All diese visuellen Eigenschaften und die humorvollen, oftmals nicht ganz koscheren Dialoge kreieren die Fassade einer Traumwelt. Sie lassen die Welt aus Mikeys Perspektive erscheinen. Nach aussen hin ist sie glänzend und glamourös, und sie versucht die Ernsthaftigkeit des Lebens zu unterdrücken, was jedoch nicht möglich ist.
Mikey versucht der Realität zu entfliehen, indem er im Hier und Jetzt lebt und die Zukunft ignoriert, weil er sich diese mit seinem Ruf erschwert hat. Er ist eine typische Antiheldenfigur, die vieles in ihrem Leben falsch macht und sich zu dämlichen Schnellschuss-Entscheidungen verlocken lässt. Dies bringt ihn die in immer grössere Schwierigkeiten. Wenn er die kaum erwachsene Strawberry dazu verlocken will, eine Karriere im Pornogeschäft zu lancieren, ist dies skrupellos und egoistisch. Er sieht dabei nur den unmittelbaren Erfolg, den sie erzielen würden, ignoriert aber, dass er damit ihr Zukunft ruiniert. Bei aller Dummheit und Unverantwortlichkeit erregt er aber auch Mitleid und weckt Sympathien mit seinem humorvollen und charmanten Auftreten.
Dies funktioniert nur dank der grossartigen authentischen Performance von Hauptdarsteller Simon Rex. Seine Interpretation ist witzig, hemmungs- und schamlos, und oftmals wirkt er aufgedreht, weil er so schnell spricht. Dass der Schauspieler, Rapper und Comedian tatsächlich auch eine einmalige Erfahrung als Darsteller in einem Porno mitbringt, war für sein Schauspiel bestimmt ebenfalls hilfreich.
Red Rocket fängt die Missstände rund um das Leben dieser tragischen Figuren sehr gut ein und bringt stark zum Ausdruck, mit welchen Risiken eine Karriere in der Pornoindustrie verbunden ist. Eine etwas objektivere, ausgewogenere Darstellung dieses riesigen Geschäfts wäre aber auch nicht verkehrt gewesen. Trotz der zweifellos vielen negativen Aspekte ist es dennoch eine Industrie, an deren Produkten sich tagtäglich Millionen von Haushalten bedienen.